Wie macht er das, um sein Publikum nie zu enttäuschen? Rudolf Buchbinder war dieses Jahr zum 18. Mal beim Beethoven Festival in Warschau zu Gast, als alljährliches Inventarstück der Veranstaltung, füllte wieder einmal den großen Saal der Philharmonie und bekam wieder einmal eine Standing Ovation. Zu Recht! Er spielte ein ganzes Beethoven-Programm mit den Sonaten op. 2 Nr. 3, op. 13 (Pathétique), op. 14 Nr. 2 und op. 53 (Waldstein).
In den vier Werken war ein nuancenreiches und immer singendes, aber auch sehr flüssiges Spiel eine verbindende Charakteristik. Nichts Besonderes gab es darin, nichts außer Maß Recherchiertes, dazu nimmt sich der Pianist zu wenig Freiheiten gegenüber dem Geschriebenen. Rudolf Buchbinder legt besonderen Wert auf die akribische Quellenforschung. So befinden sich u. a. über 27 komplette Ausgaben der Klaviersonaten Ludwig van Beethovens sowie eine umfangreiche Sammlung von Erstdrucken und Originalausgaben in seinem Besitz.
Diese lebenslange Beschäftigung mit Beethoven äußert sich in einer entwaffnenden Natürlichkeit, in einer Lesart, die mit ‘klassisch’ gut zu beschreiben ist. Keinerlei Mätzchen, nicht Fetziges, keine schroffen Akzente, kein historisierendes Spiel, aber auch nichts Kalküliertes kennzeichnen diese maximal inspirierten, hellwachen Interpretationen von hoher Ästhetik. Eine solch sensible Spielkultur, ein derartiges Raffinement und eine so berückende Schönheit des Klanges hört man nicht alle Tage.
Und beim Spielen steht Buchbinder Beethoven im Gesicht geschrieben. In den schnellen Sätzen verzieht sich seine Miene manchmal verbissen oder sogar verkrampft, ist aber gleich wieder gelöst. Er kann auch zufrieden lächeln, etwa in seiner sehr heiteren Waldstein-Sonate oder in den lyrisch formulierten langsamen Sätzen. Oder er bejaht das eben mit den Händen Gesagte durch ein dezidiertes Kopfnicken. Das sind alles Zeichen, wie impliziert er ist und wie sehr er auch die bereits tausendmal gespielte Musik immer wieder frisch interpretiert. Ein Meister eben! Remy Franck