Bayreuth, Festspielhaus

Pizzicato-Mitarbeiter Alain Steffen hat in Bayreuth zwei Festspielveranstaltungen besucht. Hier seine Eindrücke.

Mossul, Irak. Eine zerstörte Kirche inmitten einer zerbombten Stadt ist die Spielstätte für Uwe Erik Laufenbergs Neuinszenierung des Bühnenweihfestspiels ‘Parsifal’. Hier, in diese einst multiethnische und multireligiöse Stadt zwischen Euphrat und Tigris, aus der 2014 die Christen vom IS vertrieben wurden, verlegt der Regisseur die Spielstätte von Wagners letztem Bühnenwerk. Mit viel Fingerspitzengefühl und ohne Vorurteile stellt Laufenberg die Frage nach Religion, Humanismus und Kirche. Er lässt er in seiner Inszenierung die beiden Extreme der christlichen Kirche aufeinanderprallen. Auf der einen Seite Menschenliebe, Spiritualität und Caritas, auf der anderen Dogmen, Götzenanbetung und Reliquienverehrung. Laufenbergs Inszenierung ist weder islamfeindlich noch islamfreundlich, vielmehr geht es ihm um den allgemeinen Begriff der Weltreligionen, die er hier am Beispiel des Christentums und der Institution Kirche sehr offen in Frage stellt und kritisiert. Parsifal wird zum Erlöser, nicht nur von Amfortas und von Kundry, sondern von allen religiösen Gemeinschaften. Dieser reine Tor erkennt, dass Glaube, Respekt und Menschenliebe kein Leiden und Opfer, keine Orden und Kreuze brauchen, dass diese Tugenden aus dem Menschen selbst und aus seinem Handeln heraus entstehen, sei er nun Christ, Jude oder Moslem.

(c) Bayreuther Festspiele

(c) Bayreuther Festspiele

Sehr schön dann auch Laufenbergs Botschaft zum Schluss, wo alle Reliquien wie Kreuz, Gebetsteppich oder Menora abgelegt werden und Christen, Juden und Moslems gemeinsam und ‘erleuchtet’ die jetzt aufgebrochene  und nach außen hin offene Kirche verlassen. Das ist nur eines der vielen starken Bilder, die Laufenberg in seiner Inszenierung verwendet und auf die wir leider hier nicht alle eingehen können. Die Personenregie ist vor allem in dem 1. Und dem 3. Akt sehr gut gelungen und durchgehend konsequent, während im 2. Akt, der in einem Hamam spielt, wirklich noch Luft nach oben ist. Insbesondere der langen Konfrontation zwischen Parsifal und Kundry fehlt es an Intensität und Glaubwürdigkeit. Trotzdem muss man sagen, dass Uwe Eric Laufenberg mit seiner Inszenierung schon im ersten Bayreuther Jahr ein großer Wurf gelungen ist. Dieser szenisch sehr ausdrucksstarke und tiefgreifende Parsifal findet auf musikalischer Ebene (Vorstellung vom 24. August) ein quasi oratorienähnliches Gegengewicht. Hartmut Haenchen dirigiert zügig und sehr transparent. Was einem seiner Vorgängervor einigen Jahren nicht gelungen ist, nämlich Ansätze der historischen Aufführungspraxis mit in das Interpretationskonzept einzubauen, wird heuer vom Publikum bejubelt. In den Hauptrollen überzeugen insbesondere Georg Zeppenfeld als Amfortas (eine Jahrhundertstimme), Klaus Florian Vogt als Parsifal und Elena Pankratowa als Kundry. Sehr gut auch Ryan McKinny als Amfortas und Karl-Heinz Lehner als Titurel, während Gerd Grochowski als Klingsor eher blass bleibt.

Auch von Katharina Wagners Inszenierung von ‘Tristan und Isolde’ gibt es nur Gutes zu berichten. Das Regieteam orientiert sich sehr eng an Wagners Text und schafft eine absolut tragische und düstere Liebesgeschichte bei der es eigentlich nur um Leiden und Sterben geht. Hoffnung gibt es keine. Weder während des wunderbaren Liebesduetts im 2. Akt, das bei Katharina Wagner in einem Kerker spielt, aus dem es kein Entkommen gibt, noch während des Liebestods, wo Isolde verrückt wird und in Katatonie erstarrt, während Marke (hier kein gutmütiger alter König, sondern ein rücksichtsloser, grausamer Despot) sie zum Schluss von der Bühne (in die Ehehölle) zerrt. Großartig die Besetzung. Stephen Gould singt einen stimmgewaltigen und in allen Hinsichten überzeugenden Tristan. Die Sensation des Abend (Vorstellung vom 22. August) aber kam von zwei anderen Sängern, und zwar von der atemberaubenden Gestaltung der Isolde durch Petra Lang, die stimmgewaltige Ortrud der letzten Jahre, und von Georg Zeppenfeld als Marke, der wie schon als Gurnemanz absolute Weltklasse bot und die Reihe der Bayreuther Bass-Legenden wie Hans Hotter, Donald McIntyre, Hans Sotin oder Matti Salminen weiterführt. Brangäne und Kurwenal werden von Christa Mayer resp. Iain Paterson auf hohem Niveau interpretiert, so dass man auch bei dieser Vorstellung wirklich von einem Glücksmoment sprechen kann. Christian Thielemanns Dirigat, das ich im Vorjahr noch als langweilig empfunden hatte, hat einerseits an Spannung und andererseits an Schönheit hörbar dazugewonnen.

 

 

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