Pizzicato-Mitarbeiter Alain Steffen hat die Bayreuther Festspiele besucht. Hier ist sein Bericht von Aufführungen des Lohengrin und von Tristan und Isolde.

Manchmal entstehen die besten Inszenierungen unter Druck. Das gilt für die Neuinszenierung von Tristan und Isolde. Erst im Dezember 2021 wurde beschlossen, trotz des neuen Ring des Nibelungen von Valentin Schwarz, der immerhin bereits seit zwei Jahren coronabedingt auf seinen Start wartete, eine zusätzliche Neuinszenierung in Auftrag zu geben. Diese sollte eigentlich als Ersatz für die großen Choropern wie Lohengrin und Tannhäuser dienen, falls diese wegen Corona aus dem Programm genommen hätten werden müssen. Zwei Vorstellungen waren dieses Jahr angesagt, zwei weitere soll es im kommenden Jahr geben.

Regisseur  Roland Schwab gelang auf Anhieb eine konsequente und in allen Punkten überzeugende Inszenierung. Schwab arbeitet gradlinig und ohne viel Schnickschnack. Das Bühnenbild, ein undefinierter Raum außerhalb jeder Zeit, ist in den drei Akten dasselbe. Oben gibt es einen wunderschönen, ovalen Himmel mit tausenden von Sternen, unten eine ebensolche Form, in der sich Wasser sich zu einem wilden Strudel formen kann um die Liebenden in den Abgrund zu reißen. Tristan und Isolde bewegen sich, nachdem sie den Liebestrank getrunken haben, ausschließlich in diesem mit Videoprojektionen animierten Oval, unerreichbar für die anderen Protagonisten, die nur am Rande agieren und keinen wirklichen Kontakt zu den beiden finden. Schwab erzählt die Geschichte klassisch, da gibt es keine Deutungsprobleme. Nur während des Vorspiels, im Liebesbuett und am Schluss beim Liebestod lässt Schwab ein Liebespaar auftreten, dies zuerst als Kinder, dann als Jugendliche und zum Schluss als Greise: Vollkommene Liebe kann auch im Diesseits, in der Realität und im Heute erlebt werden.

Trotzdem hat die szenische Arbeit noch etwas Luft nach oben. Vielleicht etwas weniger Projektionen, dafür mehr Arbeit mit den Schatten, die in meinen Augen noch zu einer zusätzlichen Vertiefung der Beziehungen führen könnten. Auf jeden Fall darf diese Inszenierung unerwartet als großer Gewinner der diesjährigen Festspiele angesehen werden.

Musikalisch bewegte sich dieser Tristan auf allerhöchstem Niveau. Catherine Foster war eine stimmlich überragende Isolde, Stephen Gould ein immer noch souveräner Tristan. Ihnen zur Seite standen mit Georg Zeppenfeld (Marke), Markus Eiche (Kurwenal), Ekatarina Gubanova und Olafur Sigurdarson (Melot) erstklassige Kollegen. Zusammen ließen sie diesen Tristan zu einem Erlebnis werden. Großes Lob auch für Markus Poschner, der diese Produktion 10 Tage vor Premiere von Cornelius Meister geerbt hatte, der wiederum den erkrankten Pietari Inkinen im Ring ersetzten musste. Was Poschner an Klangballungen, Sinnlichkeit und Farben aus dem Bayreuther Festspielorchester herausholte, war schon beachtenswert und von größter Qualität. (Vorstellung vom 12. August)

Von tiefen Beziehungen und einer rigorosen Regiearbeit ist in Yuval Sharons Lohengrin-Inszenierung auch nach 4 Jahren nichts zu spüren. Die überdimensionalen Bühnenbilder, eher ein Ego-Trip des Künstlerpaars Neo Rauch und Rosa Loy, sind dekorativ und ungewöhnlich, bringen der Inszenierung allerdings kein Plus. Auch der Regisseur vermag keine überzeugende Handlung einzubringen, im Gegenteil, es gibt viele, zu viele peinliche oder schlechte Momente.

Das exzellente Sängerensemble wurde angeführt durch die atemberaubende Leistung von Camilla Nylund als Elsa, die es fertigbrachte, selbst Publikumsliebling Klaus Florian Vogt die Schau zu stehlen. Dieser war so damit beschäftigt, seinen wunderschönen Gesang noch weiter zu verschönen, dass er fast den Weg des guten Geschmacks verliess und sogar manchmal klang wie ein Sopran. Das ist dann doch des Guten zu viel, zumal die Lohengrin-Figur in dieser Inszenierung nicht unbedingt schön und positiv ist.

Petra Lang war wie immer überragend als Ortrud; man muss allerdings ihre manchmal etwas seltsam geführte Stimme mögen. Martin Gantner sang einen noblen Telramund, seine Gestaltung verpuffte allerdings, weil die Inszenierung seine Figur sehr ungünstig in Szene setzt. Derek Welton war ein guter Heerrufer und Georg Zeppenfeld ein in allen Punkten großartiger König Heinrich. Dass das Festspielhaus nach den Schlusstakten fast erbebte, war dem Jubel und Getrampel des Publikums zu verdanken, das die Sänger frenetisch feierte. Und besonders natürlich Christian Thielemann, der die Partitur zum Klingen und Leuchten brachte wie kein anderer. Das war magisch! (Vorstellung vom 14. August)

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