Nach ihrer frechen, aber umstrittenen Inszenierung der ‘Meistersinger von Nürnberg’ wagte sich die Bayreuther Festspielleiterin Katharina Wagner dieses Jahr an ‘Tristan und Isolde’ und überraschte positiv mit einer wohlüberlegten und schlüssigen Arbeit, wie Alain Steffen berichtet.

Überzeugend gerieten sowohl die Gestaltung der Bühne (Frank Philip Schlößmann und Matthias Lippert) wie auch die Personenführung. Katharina Wagner hat sich für albtraumhafte, sehr düstere Bilder entschieden, Szenen und Räume, die das innere Erleben der Protagonisten wiederspiegeln. So spielt der 1. Akt in einem Treppenlabyrinth, das sowohl Harry Potters Hogwarts wie auch Ecos Bibliothek aus ‘Der Name der Rose’ oder aber M. C. Eschers fantastischen Treppenvisionen entsprungen sein könnten, während im 2. Akt die beiden Liebenden (zusammen mit Kurwenal und Brangäne) in einem Kerker eingeschlossen waren und von oben beobachtet werden. Der letzte Akt spielt quasi in totaler Dunkelheit, der Tod ist omnipräsent und in diesem Nichts erscheinen Tristans Todeshalluzinationen.

(c) Enrico Nawrath

(c) Enrico Nawrath

Katharina Wagner drückt somit genau das in Bildern aus, was den Seelenzuständen der beiden Protagonisten entspricht. Einige Kunstgriffe machen die Geschichte besonders interessant. So brauchen Tristan und Isolde keinen Liebestrank, sie sind sich ihrer Liebe schon vor Beginn der eigentlichen Handlung bewusst und wollen sich ihr trotz aller gesellschaftlichen Einschränkungen und den damit verbundenen Folgen stellen. Kurwenal und Brangäne bleiben während der ganzen Oper handlungsunfähig; alle Versuche, Tristan und Isolde mit der Realität zu konfrontieren oder sie an ihrem Zusammenkommen zu hindern, scheitern. Marke ist kein netter und milder König, der verzeiht, sondern ein bösartiger, intriganter Machtmensch, der ohne mit der Wimper zu zucken seinen Neffen Tristan hinrichten lässt, um Isolde zu besitzen. Somit gibt es auch keine romantische Verklärung. Überhaupt scheint sich Katharina Wagner mit Händen und Füßen dagegen zu wehren, den Tristan als eine rein romantische Oper zu inszenieren. Isolde wird am Schluss verrückt und Marke zerrt sie nach dem Liebestod von der Bühne. Tristan und Isolde bleibt es also verwehrt, sich nach ihrem Tod endlich vereinen zu können.

Das Bayreuther Festspielpublikum erlebte (am 2. August) eine sehr geschlossene, sängerisch grosso modo hochkarätige Aufführung, wenn man auch bei der Isolde von Evelyn Herlitzius einige Abstriche machen muss. Die Sängerin, die diese Rolle mit einer unglaublichen Intensität und Glaubwürdigkeit zu gestalten wusste und somit eine der überzeugendsten Isolden-Darstellungen der letzten Jahre präsentierte, hatte ihre Stimme oft nicht im Griff. Ihr heller, kraftvoller und schön timbrierter Sopran war schlecht fokussiert, so dass die Stimme des Öfteren einfach wegrutschte. Grandios war die Leistung von Stephen Gould als Tristan, der beeindruckend zeigte, dass das Fach des Heldentenors noch nicht ausgestorben ist. Mit immensen Kraftreserven bewältigte er die Partie scheinbar mühelos und hatte selbst im letzten Akt noch genug Kraft und Flexibilität, um die Rolle so präzise wie möglich auszusingen. Ian Paterson war ein hochkarätiger Kurwenal und Christa Meyer eine zum großen Teil stimmpotente Brangäne. Lediglich zu Beginn des 1. Aktes hatte sie einige Schwierigkeiten mit der Präzision. Georg Zeppenfeld stand den großen Marke-Darstellern der Vergangenheit in nichts nach und imponierte mit seinem wunderbaren und schön geführten Bass. Tansel Akzeybek war als Junger Seemann und Hirt eine Bereicherung. Der Melot von Raimund Nolte hingegen blieb blass und fiel somit im Ensemble etwas ab.

Christian Thielemann leitete den Tristan nur mit routinierter Sicherheit, brachte die Musik jedoch nie zum Glühen. Eher das Gegenteil war der Fall. Recht langweilig plätscherte die Musik voran, und wenn Thielemann auch im zweiten Teil des Liebesduetts und im abschließenden Liebestod einige schöne Momente kreierte, so konnte sein Dirigat nicht mit dem seiner beiden Tristan-Vorgänger Daniel Barenboim und Peter Schneider konkurrieren. Zudem brachten Thielemanns manchmal recht eigenwillige Tempi die Sänger im 2. Akt mehrmals aus dem Takt.

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