Leo Ornstein: Klavierquintett op. 92; Boris Tishchenko: Klavierquintett op. 93; Jascha Nemtsov, Klavier, Asasello-Quartett (Rostislav Kozhevnikov, Barbara Streil, Violine, Justyna Śliwa, Viola, Teemu Myöhänen, Cello); # Hänssler Classic HC24019; Aufnahme 09.2022, Veröffentlichung 07.06.2024 (53'42) – Rezension von Pál Körtefa

Der Pianist Jascha Nemtsov widmet sich wissenschaftlich mit Hingabe und sicherem Gespür jüdischer Musik und jüdischen Komponisten des 19. und 20. Jahrhundert sowie verbundenen Themen wie ‘Nationalismus und Musik’, ‘Religion und Musik’ und ‘Totalitarismus und Musik’. Bei dieser Suche hat er nun zwei ursprünglich russisch jüdische Komponisten im Fokus, nämlich Leo Ornstein und Boris Tishchenko. Deren Klavierquintette liegen nun als Einspielung vor, die Nemtsov zusammen mit dem Asasello Quartett anbietet.

Leo Ornstein war zunächst ein berühmter ukrainisch-amerikanischer Pianist und Komponist. Später war er als Komponist und Lehrer aktiv. Mit seinem Quintett op. 92 führte er seinen gereiften musikalischen Geist vor. Mit expressiven und lyrischen Elementen erweiterte er seine Ausdrucksweise. Hier offenbart er seine Leidenschaft bis hin zu rohen Gefühlen, wie allein schon die Bezeichnung des ersten Satzes mit Allegro barbaro andeutet. Er zeigt sich selbstbewusst und spontan. In den drei Sätzen türmt er vielleicht nicht Dissonanz auf Dissonanz wie in jungen Jahren und auch die so komplexen Rhythmen fehlen. Hier klingt seine Musik insgesamt tonaler, fließender, mit frei schwebender Tonalität. Die Melodien mögen seltsam sein, aber erkennbar durch eine klare Handschrift mit einem Hauch von hebräischem Einschlag.

Das einsätzige Quintett von Boris Tishchenko ist in seinem Personalstil geschrieben, der von den Spätwerken Shostakovichs ausgeht, vor allem bei Melodik und Rhythmik. Freie Formen und häufig monothematisch arbeitend, blieb er traditionell, wie bei einem weitgehend tonal Ansatz. Dem stehen moderne Stilmittel wie Dissonanzenanreicherungen gegenüber.

Mit dem Einsatz für diese Werke holen Jascha Nemtsov und das Asasello Quartett nicht nur weitgehend unbekannte, aber sehr intensive und ausdrucksstarke Kompositionen in den Vordergrund. Sie demonstrieren einmal mehr auch, mit welchen interpretatorischen und auch technischen Fähigkeiten sie ihren Weg zu einem höchst beeindruckenden Ergebnis führen.

Die anspruchsvollen Quintette finden in Jascha Nemtsov einen nicht nur souveränen, sondern auf hohem technischem Niveau differenzierend gestaltenden Musiker, der die Merkmale der Kompositionen wirkungsvoll, aber ungekünstelt herausstellt.

Mit ihm gestalten die Mitglieder das Asasello Quartetts vielschichtig nuancierend ihre Parts. Auch sie zeigen die hier notwenige Energie und formen damit die Dramatik der Werke. Doch geben sie auch lyrischen Aspekten ihren Raum. Kontrastreich, doch durchhörbar artikulierend lassen sie erkennen, dass auch ihnen diese Entdeckungen interessante Impulse gegeben haben.

The pianist Jascha Nemtsov dedicates himself to Jewish music and Jewish composers of the 19th and 20th centuries as well as related topics such as ‘nationalism and music’, ‘religion and music” and ‘totalitarianism and music’ with dedication and a sure instinct. In this search, he has now focused on two originally Russian Jewish composers, namely Leo Ornstein and Boris Tishchenko. Their piano quintets are now available as a recording, which Nemtsov offers together with the Asasello Quartet.

Leo Ornstein was initially a famous Ukrainian-American pianist and composer. He was later active as a composer and teacher. With his Quintet op. 92, he demonstrated his mature musical spirit. He expanded his expressive style with expressive and lyrical elements. Here he reveals his passion to the point of raw emotion, as the designation of the first movement as Allegro barbaro alone indicates. He is self-confident and spontaneous. In the three movements, he perhaps does not pile dissonance upon dissonance as he did in his younger years and the complex rhythms are also missing. Here his music sounds altogether more tonal, more flowing, with free-floating tonality. The melodies may be strange, but they are recognizable by a clear handwriting with a touch of Hebrew.

Boris Tishchenko’s one-movement quintet is written in his personal style, which is based on Shostakovich’s late works, especially in terms of melody and rhythm. Working in free forms and often monothematically, he remained traditional, as he did largely with a tonal approach. This is contrasted by modern stylistic devices such as dissonance enrichment.

With their commitment to these works, Jascha Nemtsov and the Asasello Quartet not only bring largely unknown but very intense and expressive compositions to the fore. They also demonstrate once again the interpretative and technical skills with which they are able to achieve highly impressive results.

In Jascha Nemtsov, the demanding quintets find a musician who is not only confident, but also has a high level of technical sophistication, effectively but unaffectedly emphasizing the characteristics of the compositions.

The members of the Asasello Quartet join him in shaping their parts in a multi-layered, nuanced way. They also display the necessary energy and thus shape the drama of the works. But they also give space to lyrical aspects. Rich in contrast, yet articulating clearly, they reveal that these discoveries have also given them interesting impulses.

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