Orchestre de la Suisse Romande - One Century of Music 1918-2018; " - Debussy/Ansermet: 6 Epigraphes antiques; Ravel: Shéhérazade + Daphnis et Chloé-Suite No. 2; Lalo: Le Roi d'Ys (Ouvertüre); Dukas: Polyeucte (Ouvertüre); Blacher: Paganini-Variationen op. 26; Wagner: Ouvertüre & Bacchanal (Tannhäuser; Strauss: Schleiertanz aus Salome op. 54; Don Juan op. 20; Schumann: Manfred-Ouvertüre op. 115; Ligeti: Melodien für Orchester; BA Zimmermann: Prélude für großes Orchester (Photoptosis) Bartok: Violinkonzert Nr. 1; Holliger: 5 Trakl-Lieder; Berg: Passacaglia; Stravinsky: Les Noces + Le Sacre du Printemps; Rachmaninov: Die Toteninsel op. 29; Doret: Les Armaillis; Marilyn Richardson, Isaac Stern, Cornelia Kallisch, Fernando Corena, Hugues Cuenod, Francine Laurent, Nadine Denize, Louis Devos, Wolfgang Sawallisch, Pinchas Steinberg, Horst Stein, Armin Jordan, Marek Janowski, Fabio Luisi, Paul Kletzki, Jonathan Nott, Ernest Ansermet, Neeme Järvi; 5 CDs Pentatone Classics PTC5186791; Aufnahmen 1946-2018, Veröffentlichung 01/2019 (379') – Rezension von Remy Franck

Zum 100. Geburtstag des ‘Orchestre de la Suisse Romande’ publiziert Pentatone eine Kollektion von 5 CDs mit nie zuvor veröffentlichten Radioaufnahmen unter der Leitung von allen Chefdirigenten des Orchesters, angefangen mit dem Gründer Ernest Ansermet, mit seinen Nachfolgern Paul Kletzki, Wolfgang Sawallisch, Horst Stein, Armin Jordan, Fabio Luisi, Pinchas Steinberg, Marek Janowski und Neeme Järvi, bis hin zum derzeitigen Chef Jonathan Nott.

Merkwürdig ist, das der Dirigent, der dem Orchester von 1918 bis 1967, also quasi die ganze erste Hälfte des Jahrhunderts vorstand, nur mit einer einzigen Aufnahme, Gustave Dorets ‘Les Armaillis’ aus dem Jahr 1943 vertreten ist, während einige anderen Dirigenten mehrere Werke dirigieren.

Die erste CD enthält ein rein französisches Programm, wobei Sawallischs sensuelles Dirigat der Ansermet-Fassung von Debussys ‘Six Epigraphes Antiques’ ebenso wichtig ist wie die beiden Ouvertüren ‘Le Roi d’Ys’ unter Pinchas Steinberg und ‘Polyeucte’ unter Armin Jordan eindeutig interessant sind.

Die zweite CD ist dem deutschen Repertoire gewidmet und enthält eine feine Darbietung von Blachers Paganini-Variationen, einen manierierten Schleiertanz aus ‘Salome’ und schrecklich kitschige ‘Tannhäuser’-Auszüge unter Pinchas Steinberg. Es folgt eine solide Aufführung von Schumanns ‘Manfred-Ouvertüre’ sowie ein zwischen ungestümem, fast atemlosem Drang und lustvoll-sensueller Erregung kontrastvoll angelegter ‘Don Juan’, der aber vom Spitzenpeloton weit entfernt bleibt.

Die dritte CD, ’20th Century’, zeigt das Orchester und Wolfgang Sawallisch sowie Horst Stein in zwei spannenden Interpretationen von György Ligetis ‘Melodien’ und B.A. Zimmermanns ‘Photoptosis’.

Isaac Stern war einer der besten Interpreten von Bartoks Erstem Violinkonzert, und seine Aufnahme mit Leonard Bernstein hat heute noch Referenzcharakter. Hier ist der Geiger mit dem OSR unter Paul Kletzki in einer guten Interpretation zu hören, die aber hinter den Einspielungen mit Bernstein oder auch Ormandy zurückbleibt. Hervorragend ist Kornelia Kallisch in Holligers Trakl-Liedern, spannungs- und stimmungsvoll begleitet vom OSR unter Armin Jordan.

Die vierte CD beginnt mit einer beeindruckenden Interpretation der Choreographischen Szenen ‘Les Noces’ von Igor Stravinsky. Horst Stein arbeitet mit großer Expressivkraft das dramatische Element heraus, mit brillantem Farbenspiel und einem überschäumenden musikalischen Impetus. Dabei gefällt mir besonders, wie Stein die Musik homogenisiert, sie also nicht zerfetzt, wie das manche andere Dirigenten getan haben. Bei Stein behält sie ihren Charakter und ihre volle Wirkungskraft, die aus einer geheimen Verbindung von Farbe und Rhythmus besteht. Bemerkenswert ist die Textverständlichkeit bei den Solisten Francine Laurent, Nadine Denize, Louis Devos und Michel Brodard sowie beim Chor.

Das russische Programm enthält weiterhin eine vordergründig spektakuläre und eher enttäuschende Aufführung von Rachmaninovs ‘Insel der Toten’ unter Neeme Järvi. Auch Stravinskys ‘Le Sacre du Printemps’ unter Jonathan Nott kann mich nicht wirklich begeistern. Die betuliche Interpretation ist eher langweilig.

Der Schweizer Komponist Gustave Doret (1866 -1943) komponierte ‘Les Armaillis’ im Jahre 1900. Die tragische, in einem Alpendorf spielende Liebesgeschichte hat eine volkstümliche, melodische und entsprechend einfache Musik anzubieten, die Ernest Ansermet spannungsvoll gestaltet.

Die Angaben, die zu dieser Oper im Booklet gemacht werden, sind äußerst spärlich. Hinter den Namen der Sänger steht weder die entsprechende Partie noch der Stimmtyp. Ein Resümee der Handlung gibt es nicht, und a fortiori kein Libretto. Da es weitere Angaben auch nicht im Internet gibt, ist der Hörer ziemlich allein gelassen mit der Musik. Schade!

The Orchestre de la Suisse Romande commemorates its first century with live recordings conducted by the ten music directors who conducted the Swiss orchestra in those hundred years. If the programs with French music and music from the 20th century are appealing, the one with German music and the one with Russian music are less successful. Ernest Ansermet, who was music director from 1918 until 1967, is conducting a Swiss opera by Gustave Doret, which is certainly an interesting piece, yet the booklet does not provide enough information to allow the listener to fully understand and appreciate the music.

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