Klangfarben und Orchesterpedal
Innerhalb der Riege der modernen Komponisten gehört Morton Feldman mit einigen anderen US-amerikanischen Kollegen zu der Gruppe derjenigen, die ihren eigenen unabhängigen Weg gefunden haben. Mit Coptic Light wurde sein letztes vollendetes Werk für Orchester neben einem Auftragswerk aus Buffalo, ‘String Quartet and Orchestra’, eingespielt, die beide, vor allem Letzteres, große Besetzungen vorsehen, vor. Immerhin vom Umfang her mit je knapp 30 Minuten halten sie den üblichen Rahmen ein. Das Radio Symphonie Orchester des ORF aus Wien hat sich der Unterstützung von zwei Dirigenten, nämlich Michael Boder bei Coptic Light und Emilio Pomarico beim anderen Werk versichert. Die Soli hat das auf solche Musik fokussierte Arditti Quartet übernommen, das mit gewohnter Hingabe und technischer Brillanz die Interpretation steuert. Wenn auch die Musik in kleinsten Dosierungen mäandert und dabei einen eher flächigen Eindruck vermittelt, so hätte man sich eine mehr entwicklungsbetonte und musikalische Bögen betonende Interpretation gewünscht, die weniger wie Patchwork denn eher wie ein zusammenhängendes wallendes Gewebe klingt. (Capriccio C5378) – ♪♪♪♪

Die Noten sind Schwalben
Die viele Jahre als Solistin des Orchesters in Den Haag agierende Oboistin Pauline Ostenrijk, die im Studium auch das Klavierspielen pflegte, legt eine Sammlung ihrer Lieblingsstücke unter dem Titel The Notes are Swallows vor. Miniaturen oder besser kleine Charakterstücke der auch in Den Haag tätig gewesenen Komponisten Bernard van den Siegtenhorst Meyer und Alexander Voormolen werden alternierend vorgestellt. Diese atmosphärisch dichten, geradezu meditativen, fein komponierten Landschafts- und Stimmungsbeschreibungen mit Bildern aus den Niederlanden werden begleitet von 13 im Beiheft abgedruckten Gedichten von Johan Andreas dèr Moew, die neben ihrer Urfassung in Niederländisch auch in der dichten Übersetzung von Jon Irons ins Englische nachvollzogen werden können und inhaltlich die Sujets der Kompositionen aufgreifen und um ihre Sicht erweitern. Der Solisten Pauline Osterijk merkt man sozusagen bei jedem Ton ihre große Verbundenheit mit diesen Stücken an. Und dank der Beherrschung ihres Instruments, der Oboe, aber auch des Klaviers, entsteht so eine narrative Stunde Musik, mit der man wirklich träumen und in den angedeuteten Bildern schwelgen kann. Das gipfelt in der Sonate für Oboe und Klavier, deren Stimmen sie nacheinander eingespielt hat. (Cobra 0072) -♪♪♪♪

Der vermischte Geschmack in französischer Machart
Obwohl das Ensemble Diderot um Johannes Pramsohler schon seit seiner Gründung mit diesen Triosonaten op. 4 von Leclair in Kontakt ist, hat es diese erst jetzt, nachdem sein Ensemblespiel gereift ist, eingespielt. Italienisch zeigen sich leichte Airs und der formale Aufbau dieser Kompositionen. Französisch sind die sparsamen Verzierungen und die Tempi geprägt. Kombiniert ergeben sie den als ‘réunion des goûts’ bezeichneten Zusammenfluss der Stile, der mit partiell aufhorchen lassendem Kontrapunkt auch noch deutsch klingende Einflüsse heraushören lässt. Dass diese Werke frei von geigerischer Selbstdarstellung sind und trotzdem versierte Musiker voraussetzen, kann man in der genauso eloquenten wie handwerklich ausgefeilten Darstellung des Ensembles Didierot miterleben und so diese so kunstfertigen wie noch wenig beachteten Werke erleben. (Audax Records ADX 13724) – ♪♪♪♪♪

Bezwingbare Lukas Passion aus Schweden
Der schwedische Komponist Rolf Martinsson ist über die Grenzen seiner Heimat hinaus bekannt, seine St. Lukas Passion aber wird bisher vor allem in Schweden aufgeführt, was sicher auch mit dem schwedischen Text, zeitgenössisch von Göran Greider, zu tun hat. Eine in Auftrag gegebene deutsche Übersetzung, die im Beiheft schon abgedruckt ist, soll die Verbreitung dieses Werkes fördern. Da es nur an die beiden Gesangssolisten, ein Sopran als Evangelist, und ein Bariton für Jesus, hohe professionelle Anforderungen stellt, ist dieses reizvolle Werk von 90 Minuten Dauer auch für engagierte Laienchöre und ein kleines Instrumentalensemblemit mit Flöte, Oboe, Cello, Kontrabass, Trommel und Orgel und noch einem Erzähler ebenso machbar wie es mit gemäßigt modernen Klängen auch klangvolle Passagen hat, die es als Bereicherung erscheinen lassen. Chor und Instrumentalensemble der Kathedrale von Växjö haben eine unmittelbar ansprechende Konzerteinspielung aufgezeichnet, die dem Werk in allen Punkten gerecht wird. Sten-Inge Petersson lenkt die Beteiligten, Lisa Larsson als Evangelist und Peter Boman als Jesus entfalten ihre Qualitäten ebenso gekonnt wie Mark Levengood den Erzählpart rezitiert. (Daphne 1066) – ♪♪♪♪

Der Wunsch, Verwunderung auszudrücken
Bis zu ihrer Perfektion bei Corelli hat die Violinsonate im 16. Jahrhundert eine interessante Entwicklung im Italien durchlaufen. Von ersten Violinschulen am Anfang der Periode haben zahlreiche Komponisten, die oft auch Violinisten waren, für die Geige in Nachahmung der menschlichen Stimme komponiert. Dass die damit gleichfalls dem modernen Stil, wie es damals schon hieß, huldigten, ist ein weiteres Puzzleteil an dieser Zusammenstellung. Der Geiger Enrico Onofri hat mit seinem Imaginarium Ensemble, also einer Basso continuo Gruppe, ein Dutzend Beispiele eingespielt. Sie spiegeln die ganze Palette der möglichen Gedanken und Entwicklungen wider. Onofri gelingt es mit leicht gestaltender Hand, diesen weniger bekannten Kleinodien Odem einzuhauchen. Während Fontana, Kapsberger, Marini und Uccellini zu den bekannten Komponisten gehören, sind Aurelio Virgiliano, Bartolomeo de Selma e Salaverde und Francesco Rognoni Taegio weniger präsent. Schade, denn ihre Musik zeigt eigenes Flair und bietet einen guten Einblick in die verschiedenen Blickrichtungen. (passacaille 1070) – ♪♪♪♪♪

Kroatisches Schwergewicht mit seiner Nationaloper erlebbar
Das Label cpo legt eine Aufnahme der musikalischen Tragödie Nikola Šubić Zrinjski von Ivan Zajc aus der Oper Rijeka vor, die sich in die Zeit von Rijeka als Kulturhauptstadt 2020 fügt. Die Bedeutung von Zajc für Kroatien ist enorm; eine Periode der Musikgeschichte trägt seinen Namen. In der Handlung geht es um die Verteidigung der Burg Szigetvár durch den namensgebenden kroatischen General gegen Sultan Suleiman auf seinem Weg nach Wien. Die Musik steht in der Tradition der italienischen Oper. Die Vokalpartien sind auf die geringeren Fähigkeiten der verfügbaren Sänger abgestimmt. Zajc nutzt große Massentableaus. Die dominieren Männerchöre erinnern mit ihren kämpferischen Auftritten an den frühen Verdi. Im Gegensatz zu dieser kriegerischen Atmosphäre stehen die Auftritte Jelenas; nur hier ist südslawisches Volksmelos erkennbar. Einige formale Mängel sind nicht zu verneinen. Die Ensembles der Oper Rijeka und die Gesangssolisten liefern eine stimmige und hörenswerte Interpretation des Werkes, das sozusagen durch diesen großen Einsatz geadelt wird. So besteht mit dieser Aufnahme die Möglichkeit, dieses über die Grenzen Kroatiens hinaus kaum bekannte Werk in der Landessprache kennenzulernen. Das Libretto ist auch auf Englisch im Beiheft abgedruckt. (cpo 555 335-2) – ♪♪♪

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