Joseph Haydn: Sinfonien Nrn. 15, 35, 45 + Scena di Berenice; Sandrine Piau, Sopran, Il Giardino Armonico, Giovanni Antonini; 1 CD Alpha 684; Aufnahme 11/2018; Veröffentlichung 02/2021 (77'34) – Rezension von Uwe Krusch

Jede der Einspielungen von Giovanni Antonini in der Haydn-Reihe steht unter einem Titel. Der aktuelle scheint mit dem italienischen Addio Tschüss zu sagen. Da möchte man doch glatt ausrufen, bloß nicht, denn hier haben sie einen großen Schritt nach vorne getan. Und das meint nicht nur die 9. Edition an und für sich, sondern auch in der musikalischen Darstellung.

Konnte man sich schon bisher in von den Qualitäten des orchestralen Zusammenspiels in dieser Haydn Reihe überzeugen so gelingt es hier, sozusagen noch eine Schippe an Qualität zuzulegen. Dass Einmütigkeit bei Attacke und Verschmelzung in allen Orchestergruppen gegeben ist, ist allein noch kein besonderes Merkmal. Aber die Streicher zeigen eine weite Palette an Farben, Bogenstrichen und Artikulation und machen so den raffinierten Reichtum in Haydns Kompositionen deutlich. Die Bläser sind ebenfalls exzellent, Da sind vor allem die hohen Hornsätze zu nennen, die selbstbewusst mit Verve erklingen.

Die Tempi sind in den schnellen Sätzen oft recht zügig, ohne dass sie deswegen gehetzt klingen. Achtelmotorik wird gestaltet, nicht nur abgespult, so dass jede Linie für Schwung sorgt und ungehemmte Lebensfreude ausstrahlt. In den langsamen Sätzen dagegen lassen sie die melodische Linie singen. Einige Details seinen erwähnt.

In den beiden Sturm und Drang Sinfonien werden die Menuette nach dem Höreindruck mit einem Schlag pro Takt dirigiert. Man mag das als Nachteil deshalb sehen, weil es in gewissem Maß die Eleganz nimmt. Aber es klingt dann, ebenso wie die Ecksätze, wirklich stürmend und drängend, ohne sich zu überschlagen. In der Sinfonie Nr. 15 entsteht dieser Eindruck nicht. Sie wirkt im Vergleich fast ein wenig bedächtig. Im ersten Satz der Abschiedssymphonie wählt Antonini eine überraschende interpretatorische Idee. In der Durchführung, wenn die Musik wegen längerer Notenwerte schon auskomponiert langsamer wirkt, nimmt er plötzlich zusätzlich ein etwas langsameres Tempo und lässt auch die Artikulation sanfter wirken. Aus aufgeregter Unruhe wird dann ein Sehnen oder Flehen, wenn man den Finalsatz bedenkt. Der langsame Satz ist ebenso ein Höhepunkt, der sich von zarter Verspieltheit zu einer tiefen Sehnsucht entwickelt. Im Beiheft wird auch die von Haydn diktierte biografische Note erwähnt, wonach damit das vom Fürsten gewünschte längere Verweilen in Esterhazy beendet werden sollte, um den Musikern die Rückkehr zu ihren Familien zu ermöglichen.

Berenice, che fai?, das nach der Abschiedssymphonie erklingt, passt gut dorthin, da es auch einen, wenn auch mythologischen, Abschied thematisiert. Mit Kraft gespielt und von Sandrine Piau mit ihrem gewohnt fabelhaften Können unterstützt, zeigt die Scene die verzweifelte Wut der Protagonistin. Mit dieser Scheibe erklimmt die Reihe einen vorläufigen Höhepunkt. Mal abwarten, ob es eine Gebirgskette wird oder ein höherer Gipfel im Mittelgebirge bleibt.

Each of Antonini’s recordings in the Haydn series has a title. The current recording seems to say goodbye with the Italian addio. One would like to say, « Don’t do it, » because the musicians have taken a big step forward here.
The Giardino already was very convincing in this Haydn series, but now they succeed in taking it up a notch, so to speak. The fact that all the orchestral groups are unanimous in their attack and fusion is not yet in itself a special feature. But the strings display a wide palette of colors, bowing and articulation, revealing the refined richness in Haydn’s compositions. The winds are also excellent, most notably the high horn parts, which ring out confidently with verve.
The tempi in the fast movements are often quite brisk without sounding rushed. Eighth notes are shaped, not just reeled off, so that every musical line provides momentum and radiates uninhibited joie de vivre. In the slow movements, however, they let the melodic line sing. Some details are to be mentioned.
In the two Storm and Stress symphonies, the minuets are conducted with one beat per bar, according to the listening impression. One might see this as a disadvantage because it takes away the elegance to a certain extent. But then, just like the outer movements, it sounds really stormy and stressed, without overlapping. This impression does not arise in Symphony No. 15. It seems almost a little deliberate in comparison. In the first movement of the Farewell Symphony, Antonini chooses a surprising interpretive idea. In the development, when the music already seems slower because of noted longer note values, he suddenly adopts a somewhat slower tempo and also makes the articulation seem softer. Agitated restlessness then turns into longing or pleading, considering the final movement. The slow movement is also a climax, developing from delicate playfulness to deep longing. The booklet also mentions the biographical note dictated by Haydn, according to which this was to end the duke’s desired extended stay at Esterhazy to enable the musicians to return to their families.
Berenice, che fai? fits well there, as it also thematizes a farewell, albeit a mythological one. Played with power and sung by Sandrine Piau with her usual marvelous skill, the scene shows the desperate rage of the protagonist. With this disc, the series climbs to a temporary high point. Let’s wait and see whether it becomes a mountain range or remains a higher peak in the low mountain range.

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