Im bereits teilerneuerten Gewand präsentieren sich dieses Jahr die ‘Audi Sommer Konzerte’. Das seit 1990 bestehende Festival hat mit einem jungen Team neue Wege für die Zukunft eingeschlagen. Uwe Krusch hat das Festival für Pizzicato besucht.
Die neuen Wege beinhalten eine zeitliche Konzentration, die den Festivalcharakter stärken soll. Mit einer größeren regionalen Bindung an Ingolstadt, seine Musiker und seine Einwohner möchten die Organisatoren zudem die Identifikation des Publikums mit ihrem Festival ausbauen. Und auch musikalisch wird mit der künstlerischen Leiterin Lisa Batiashvili ab dem kommenden Jahr eine weitere Profilschärfung eintreten.
Bereits heuer wurden mit kostenlosen Open Air-Konzerten im Klenze Park, mit den lokalen Orchestern Georgisches Kammerorchester mit Fazil Say und der Audi Bläserphilharmonie und auch mit dem Mahler Chamber Orchestra und Pekka Kuusisto vor rund 15.000 Besuchern und dem Jugendprojekt ‘Creating Creation’ zu Haydns ‘Schöpfung’ neue Ideen umgesetzt. Alle diese Entwicklungen lassen sich nur mit einem starken Partner schultern, der ohne inhaltliche Einmischung die finanzielle Seite sichert, der Audi AG.
Wie die ersten Änderungen ankamen, war beim Konzert von Sol Gabetta, anderen Solisten und dem Kammerorchester Basel am neuen Spielort, der Kirche Maria de Victoria, auch als Asamkirche bekannt, festzustellen.
Diese Kirche hat im Grunde eine Schuhkartonform mit reich verzierten Wänden, so dass eine durchaus positive Akustik gewährleistet ist. Mit einem Kammerorchester wie dem aus Basel wird die akustische Größe des Raumes ausgenutzt.
Mit dem im Mittelpunkt dieses Konzertes stehenden zweiten Cellokonzert von Peteris Vasks hatte mit Sol Gabetta eine bekannte Musikerin nach Ingolstadt gefunden. Dieses Konzert kann auch als Teil des diesjährigen Festivalthemas, nämlich Sehnsuchtsorte, gesehen werden. Wie Vasks in einem dem Konzert vorhergehenden hochemotionalen Gespräch mit dem BR Klassik Moderator Michael Atzinger klarstellte, möchte er die schwierige Geschichte der baltischen Staaten, natürlich insbesondere Lettlands zur Demokratie im Bewusstsein behalten. Musikalisch gilt sein Hauptaugenmerk dem Wunsch, in einer ruhelosen Welt Ruhepunkte zu setzen und auch durch die Vertonung von Natur, wie Vogelstimmen, eine menschliche liebevolle Stimme zur Geltung zu bringen.
Das zweite Cellokonzert mit dem Titel Präsenz (Klātbūtne) nimmt zwar weniger auf die Naturlaute Bezug, spiegelt aber mit den beiden langsamen Außensätzen, in denen die Streicher das Solo mit weiten Klangflächen unterlegen, den Wunsch, ein ruhevolles Miteinander zu pflegen. Lediglich im Mittelsatz schafft er eine an Shostakovich erinnernde Motorik. Insgesamt bleibt das Werk mit seiner Weichheit hinter tiefgründigeren Werken aus seiner Feder zurück, ist aber ein klangvolles einnehmendes Fundament für ein ausdrucksstarkes Cellospiel, wie es Sol Gabetta bieten kann. Sie hat als hartnäckige Nachfragerin diese Komposition herausgefordert und Vasks konnte auch ihren Wunsch, zusätzlich eine gesungene Passage einzubauen erreichen, indem er im letzten Satz nach einem Ausflug die zurückkehrende Seele mit einem Art Wiegenlied zum Cellospiel singen lässt. Ein einehmendes Werk, das auch das weniger auf moderne Musik geprägte Publikum mitnimmt, ohne zu überfordern.
Das Spiel der Solistin, die voller Natürlichkeit die Anforderungen des Werkes annahm und die Intensität ihres Spiels in den Dienst des Werkes stellte, vermittelte eindrucksvoll den Charakter der Musik.
Wie auch in den anderen Werken des Abends trat das Kammerorchester Basel auch hier ohne Dirigenten auf. Mit ihren hoch motivierten und auch mit Herz und Seele agierenden Streichern wussten sei sowohl die bewegten Passagen des Mittelsatzes als auch die Klangflächen der Außensätze mit technisch ausgefeiltem Spiel als auch einnehmendem Ausdruck zu gestalten.
Eröffnet hatte den Abend die kurze ‘Sinfonia pastorella’ von Leopold Mozart, deren Soloinstrument ein Alphorn ist. Aus dem Orchester präsentierte sich Olivier Darbelly mit diesem unhandlichen, gleichzeitig aber auch beeindruckenden Instrument. Auf die Naturtonreihe beschränkt hat Vater Mozart dem Solisten nur vier Töne verschiedener Höhe zugedacht, die dieser virtuos darbot. Am Ende des Abends überraschte dieser Solist mit der schwarzen High tech Version dieses Instruments, die er launig mit dem Motto des Sponsors als schweizerische Variante des ‘Vorsprung durch Technik’ einführte. Dieses auf 50 cm zusammenschiebbare Karboninstrument, ähnlich einem Fernrohr aus Piratenkostümfilmen, kann mit einer Wurfbewegung des Handgelenks auf seine dem Vorbild gleiche Größe ausgezogen werden. Die jazzig angehauchte Zugabe zeigte charmant, dass das Instrument auch größere Möglichkeiten bietet,
Nach der Pause brachte das Kammerorchester Basel unter seinem auch mimisch gestenreichen Konzertmeister im Stehen eine lebensfrohe, den Charakter des Stückes betonende kraftvolle Interpretation der ‘Posthornserenade’ von Wolfgang Amadeus Mozart zu Gehör. Bereits im einleitenden Satz, der, einer Ouvertüre ähnlich, diese Welt eröffnet, zeigten hier nun auch die Bläser des Orchesters ihre Qualitäten. Insbesondere die Holzbläser, hier neben den Fagotten vor allem Flöten und Oboen, bewiesen in den ihnen solistisch zugewiesenen Passagen der abwechslungsreich gesetzten Serenade sowohl Virtuosität als auch musikalisches Gespür. Einen kurzen, aber markanten Auftritt hatte Krisztan Kovats mit dem der Komposition namensgebenden Instruments des Posthorns, das im Blechbläserklang nochmals eine besondere Rolle einnahm.
Mit stehenden Ovationen wurden die Musiker vom begeisterten Publikum verabschiedet.
Erneut in der Asamkirche stellte sich in einem Kammermusikabend der ‘Audi Sommer Konzerte’ das ‘Schumann Quartett’ zusammen mit Andreas Ottensamer vor. Dass der persönliche Eindruck im Konzert ein ganz anderer ist als der auf der CD vermittelte, konnte man beim Konzert erfahren.
Wiederum im vollbesetzten Auditorium saß zunächst der Klarinettist Andreas Ottensamer im Mittelpunkt des Klarinettenquintetts von Mozart. Dieser Berliner Philharmoniker, der auf eine Stippvisite von den räumlich und auch organisatorisch nahen Salzburger Festspielen kam, wie auch Jordi Savall mit seinem Ensemble in dieser Woche kommen wird, führte den Solopart mit der im Original vorgesehenen Bassettklarinette vor. Sein Ton leuchtet mit vollendeter Rundheit und Eleganz und man hört dem Spiel die Leichtigkeit seines Tuns an. Dabei bildete er die Linien elegant gewunden und wusste auch mit kleinen Attacken Akzente zu setzen. Das ‘Schumann Quartett’ ordnete sich dem Solisten mit einem klassischen Klangkosmos zu, der wegen seiner unaufgeregten Gestaltung bezirzte.
Hatte Ottensamer das Konzert mit einleitenden Worten eröffnet, so wusste Ken Schumann, der zweite Geiger des Quartetts, vor der Zugabe und auch im vorhergehenden Gespräch mit Annekatrin Henschel von BR Klassik seine auch kommunikativen Fähigkeiten zur charmanten Darstellung des Quartetts einzusetzen.
Die enge Verbindung zum Bayerischen Rundfunk war früher noch intensiver, als der BR auch Unterstützer des damals zeitlich und räumlich weiter gespannten Musikereignisses war. Inzwischen haben sich die Wege jedoch im besten Einvernehmen weitgehend getrennt, bis auf die Unterstützung bei den Referaten. Das Gespräch zwischen den beiden Interviewpartnern führte mit prickelnder Leichtigkeit in das Arbeits- und Seelenleben des aus drei Brüdern und einer die Viola spielenden Künstlerin, nunmehr die Estin Liisa Randalu, ein und stimmte auf die Abgründe des Abends ein. Diese boten sich dann aber erst am Ende.
Auf sich allein gestellt eröffnete das Quartett den zweiten Teil mit der Fuge Es-Dur von Mendelssohn Bartholdy, die zusammen mit drei weiteren Quartettsätzen aus verschiedenen Kompositionsphasen als op. 81 zusammengefasst ist. Hier boten sie mit einer erneut klassisch anmutenden sehr vorsichtig gestaltend eröffneten Herangehensweise ihren weisen Umgang mit Fugen. Denn eine klar strukturierte, nicht zu aktiv vorgetragene Ausgangsbasis sichert eine strukturierte und verständliche Darstellung.
Klein aber oho die sechs Bagatellen von Anton Webern. Jedes dieser Miniaturwerke ist ein auf die notwendigsten Töne, einschließlich der Pausen, reduzierter Roman, der trotz der Sprödigkeit große Geschichten erzählt. Mit ihrem Vortrag blieben die vier der klar und zurückhaltend gezeichneten Linien treu und betonten trotz des modernen Tonsatzes auch die noch vorhandenen Tonalitäten.
Dann endlich folgten himmelhochjauchender Aufstieg und tiefster Abgrund in den Intimen Briefen, dem zweiten Streichquartett von Leos Janacek an seine stürmisch Geliebte. Dieses weitgehend unerwiderte packende Verlangen hat der Tonsetzer in derart gefühlsbetonte Töne gepackt, dass der Hörer quasi körperlich die Qualen nachvollziehen kann, die er erlitten hat. Denn dieses Quartett hat Janacek nur dank der Muse, seiner Geliebten Kamila Stösslova, erschaffen. Dass er sich mehr als nur Küsse dieser Muse vorgestellt haben mag, lässt sich bei diesen Gefühlstürmen erahnen. Das ‘Schumann Quartett’ stürzte sich in einer die Seele ebenso offen legenden Art und Weise in die Interpretation, so dass der Hörer mit in den Strudel gerissen wurde. Wie im Vorgespräch von Ken Schumann betont, benötigen sie die Bühnenatmosphäre, um diese hemmungslose Bereitschaft herauszufordern, was auch immer im musikalischen Absturz enden kann, da ohne Netz und doppelten Boden agiert wird. Die Zuhörer dieses Konzertes hatten das Glück, das diese schützenden Hilfsmittel nicht notwendig waren und das Quartett eine zutiefst überzeugende Realisation schuf.
Zur Beruhigung der Gemüter des Publikums, vielleicht auch der eigenen, gaben die Streicher den langsamen Satz aus dem Sonnenaufgangsquartett von Joseph Haydn wiederum klassisch dargebotenen als Abschluss dieses ausdrucksstarken Abends zu. Ein Konzert, das in Erinnerung bleibt.