Shostakovich: Konzert für Klavier, Trompete & Streichorchester + Klaviertrio Nr. 2; Debussy: Violinsonate + Cellosonate + Fêtes + Prélude à l'après-midi d'un faune; Ravel: Sonate für Violine & Cello + La Valse; Prokofiev: Symphonie Nr. 1 für 2 Klaviere; Overture on Hebrew Themes; Cinderella-Suite für 2 Klaviere; Sonate für 2 Violinen op. 56; Kodaly: Duo für Violine & Cello; Mendelssohn: Klaviertrio Nr. 1; Beethoven: Tripelkonzert; Schumann: Fantasiestücke für Cello & Klavier + Dichterliebe; Brahms: Violinsonate Nr. 2 + Rachmaninov: Cellosonate + Saint-Saens: Karneval der Tiere; Werke von Lecuona, Piazzolla, Rovira & Villoldo; Martha Argerich, Nicholas Angelich, Alisa Weilerstein, Lilya Zilberstein, Stephen Kovacevich, Mischa Maisky, Guy Braunstein, Susanne Barner, Pablo Barragan, Evgeni Bozhanov, Lyda Chen, Edgar Moreau, Tedi Papavrami, Hamburger Symphoniker, Ion Marin; 7 CDs Avanti Classics 541470610572; Live 06/2018,   Veröffentlichung 06/09/2019 (482') – Rezension von Remy Franck

Nach dem Aus für ihr Festival in Lugano zog Martha Argerich mit ihren Freunden im Juni 2018 nach Hamburg um. Die Symphoniker Hamburg etablierten dieses neue Festival in der Laeiszhalle. Diese Box präsentiert auf 7 CDs Liveaufnahmen mit all jenen Künstlern, die dort ein Rendezvous mit Argerich hatten.

Die Aufnahmen sind allesamt von mehr oder weniger hohem Niveau, aber viele von ihnen tragen den Stempel der besonderen Umstände und der speziellen Atmosphäre dieses Rendezvous. Es ist nicht zu überhören, dass einige Musiker allein durch den Umstand, an diesem Festival teilzunehmen, wie auf Drogen spielen, als hätten sie Ecstasy-Pillen geschluckt. Das führt manchmal zu Interpretationsmodellen wie schnell, laut, oder einfach nur enthusiastisch und temperamentvoll überdreht.

Zu den problematischen Darbietungen gehört Debussys Cellosonate in einer wie improvisatorisch wirkenden Interpretation mit Mischa Maisky und Martha Argerich, deren Spannung Feuer im Ohr entzünden kann, aber einen allzu freizügigen Cellisten zeigt, dessen Spiel auch so manieriert klingt, dass es schon nicht mehr akzeptabel ist. Mendelssohns Erstes Trio (in der Version für Flöte, Cello und Klavier, mit Susanne Barner, Gabriel Geminiani und Martha Argerich) ist rhythmisch etwas überakzentuiert und weist auch Mängel im Zusammenspiel auf, hat aber auch viele ganz wunderbare Momente.

Debussys Fêtes und Ravels La Valse in Fassungen für 2 Klaviere mit Argerich, Anton Gerzenberg (Fêtes) und Nicholas Angelich, sind einfach stupend, setzen aber auch nur auf die Virtuosität und die entsprechende Verblendung.

Ganz schlimm steht es um das Tripelkonzert von Beethoven, mit den Solisten Martha Argerich, Tedi Papavrami und Mischa Maisky, dessen affektiertes Cellospiel manchmal direkt geschmacklos ist. Die Fantasiestücke von Robert Schumann sollen ja fantasievoll und auch leidenschaftlich gespielt werden, am besten mit viel Spontaneität: all das ist in Argerichs und Maiskys Interpretation vorhanden, aber Maisky macht einfach zu viel und spielt sich auch zu sehr in den Vordergrund. Das schmeckt sehr nach purer Show.

Zu den Höhenpunkten, die den Wert dieser Box steigern, gehören eine ungewöhnlich spontane und eruptive Darbietung der Violinsonate von Claude Debussy, die aber bei aller Kraft, Leidenschaft und Virtuosität  immer klangschön und, wo angebracht, auch sensuell bleibt. Packend gespielt wird auch Prokofievs Sonate für 2 Violinen mit Tedi Papavrami und Akiko Suwanai. Tief ausgelotet, spannungs- und stimmungsvoll erklingt das Erste Klavierkonzert von Dmitri Shostakovich mit Martha Argerich und dem Trompeter Sergei Nakariakov sowie den Symphonikern Hamburg.

Zum Atemanhalten: Shostakovichs 2. Klaviertrio mit dem Geiger Guy Braunstein, der Cellistin Alisa Weilerstein und Martha Argerich am Klavier. Das Trio wird sehr intensiv dargeboten und die Stimmungen werden exakt erfasst. Die drei Musiker lassen wunderbare Atmosphären entstehen, die oft als Kontrast zu rhythmisch präzisen Attacken die Vielfalt von Shostakovichs Ausdruckspotential zur Geltung bringen.

Exzellent spielen die beiden genannten Streicher auch Zoltan Kodalys  selten zu hörende Sonate op. 7.

Welch eine großartige Liedbegleiterin Martha Argerich ist, zeigt sie zusammen mit dem Bariton Thomas Hampson in Schumanns Dichterliebe. Ihr feingliederiges und sehr nuanciertes Spiel ist die beste Grundlage für Hampsons engagiertes und extrem textverständliches Singen.

Das absolute Highlight der Aufnahmen ist Le Carnaval des Animaux von Camille Saint-Saëns, stimmungsvoll und spontan gespielt von den Symphonikern Hamburg und Lilya Zilberstein sowie Martha Argerich. Die hinreißend erzählende Annie Dutoit (Tochter von Martha A.) gibt einen neuen, raffinierten (französischen) Text zum Besten, den man köstlicher nicht formulieren und sympathischer nicht vortragen kann.

Die CD endet mit einigen Tangos, gespielt vom Guttman Tango Quartet, ein Ensemble, das nichts mehr zu beweisen hat und diese Stücke souverän-verspielt darbietet.

Trotz der gemachten Einschränkungen, und trotz Mischa Maisky, der eigentlich auf einem Konzertpodium nichts mehr zu suchen hat, ist diese Box attraktiv genug, um empfohlen zu werden.

After the end of her festival in Lugano Martha Argerich moved with her friends to Hamburg in June 2018. The Symphoniker Hamburg established this new festival in the Laeiszhalle. This box presents live recordings on 7 CDs with all the artists who had a rendezvous with Argerich. The recordings are all of a more or less high quality, but some of them bear the stamp of the special circumstances and atmosphere of this rendezvous. It is hard to overhear that some musicians were playing as if they had swallowed ecstasy pills. This sometimes leads to interpretation models like fast, loud, or just enthusiastic and over-excited.
Among the problematic performances are all those with Mischa Maisky, whose playing has become so affected that it is no longer acceptable. It tastes very much like pure show.
Among the highlights that increase the value of this box is an unusually spontaneous and lively performance of Claude Debussy’s violin sonata. Despite all its power, passion and virtuosity, the playing always remains beautiful and, where appropriate, sensual. Prokofiev’s Sonata for 2 Violins with Tedi Papavrami and Akiko Suwanai is also played thrillingly. The First Piano Concerto by Dmitri Shostakovich with Martha Argerich and the trumpeter Sergei Nakariakov as well as the Symphony Orchestra Hamburg is exciting and full of atmosphere. Violinist Guy Braunstein, cellist Alisa Weilerstein and Martha Argerich at the piano deliver an intense and emotional performance of Shostakovich’s 2nd piano trio. The two string players also play Zoltan Kodaly’s rarely heard Sonata op. 7 excellently. Together with baritone Thomas Hampson Martha Argerich shows what a great song accompanist she is. In Schumann’s Dichterliebe her delicate and much nuanced playing is the best possible basis for Hampson’s committed and very comprehensible singing.
The absolute highlight of the recordings is Le Carnaval des Animaux by Camille Saint-Saëns, atmospherically and spontaneously played by the Symphony Orchestra Hamburg, Lilya Zilberstein and Martha Argerich. Annie Dutoit (daughter of Martha A.) presents a new, refined (French) text that could not have been formulated more deliciously or performed more sympathetically.
The CD ends with some tangos, appealingly played by the Guttman Tango Quartet. Despite the restrictions made, and despite Mischa Maisky this box is attractive enough to be recommended.

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