Der 72. Internationaler Musikwettbewerb der ARD ist am Wochenende  in München zu Ende gegangen. Nach der Veröffentlichung der Resultate bringen wir heute eine Einschätzung des Wettbewerbs durch Michael Oehme.

Noch hat der 72. Internationale Musikwettbewerb der ARD in München in vollem Umfang stattgefunden. Auch im nächsten Jahr wird es vier Fächer geben, in denen er ausgetragen wird. Für die Zeit ab 2025 hat die reiche ARD allerdings eine Kürzung des Etats um die Hälfte beschlossen, so dass Einschränkungen unvermeidbar werden. Dabei besteht der Reiz dieses umfangreichsten Musikwettbewerbs der Welt gerade in der Vielfalt.

Mit 21 Kategorien, die über die Jahre im Wechsel in München ausgeschrieben werden, kann kein anderer Wettbewerb aufwarten. In diesem Jahr waren das neben der ‘Königsklasse’ Klaviertrio die Fächer Harfe, Kontrabass und Viola. Und es erstaunt immer wieder, wie spannend sich die Wettbewerbsrunden in diesen scheinbaren ‘Außenseiter’-Fächern anhören, zumal dabei auch viel interessantes, selten zu hörendes Repertoire zum Klingen kommt.

Bei den Kontrabässen war das zum Beispiel das Konzert von Sergej Koussevitzky für dieses Instrument, mit dem sich schließlich im Orchesterfinale der US-Amerikaner Gabriel Polinsky den Ersten Preis erspielte. Sein unmittelbarer Konkurrent, Hongyiu Thomas Lai aus Hong Kong bestach mit einer ungemein sanglichen, aber nicht ganz intonationssicheren Interpretation des zweiten Kontrabasskonzerts von Giovanni Bottesini und erhielt dafür den zweiten Preis.

Bei den Harfen überzeugte die Schweizerin Tjasha Gafner durch ihre klanglichen Qualitäten und die Virtuosität auf ihrem Instrument und wurde Erste. Mit tiefer Musikalität, Persönlichkeit, Klangschönheit und Ausdruckskraft überzeugte die aus Südkorea stammende Bratscherin Haesue Lee – zuletzt im Finale mit dem Konzert für Viola und Orchester von William Walton, einem, wenn nicht dem Prüfstein für die Viola. Als erste Preisträgerin wurde sie auch mit dem Publikumspreis bejubelt. Schließlich die Kategorie Klaviertrio: Die drei Finalisten hatten sich in der Endrunde mit je einem, über einstündigen Programm zu beweisen. Hans Werner Henzes Kammersonate und eines der beiden großen Schubert-Trios waren gefordert und damit der unmittelbare Vergleich möglich, welcher zugunsten des Trios Orelon aus Italien, Deutschland und Spanien ausfiel. Vollendet war das Zusammenspiel der drei jungen Musiker – Marco Sanna, Klavier, Judith Stapf, Violine und Arnau Bascompte, Violoncello.

Auch in diesem Jahr hatte der ARD Musikwettbewerb für jedes Fach Auftragskompositionen vergeben. Sie gingen an Édith Canat de Chizy (Harfe), Gordon Kampe (Kontrabass), Malin Bang (Klaviertrio) und Alberto Posadas (Viola). Da die diese neuen Werke bereits im zweiten Wettbewerbsdurchgang bzw. im Semifinale angesetzt waren, konnten die Komponisten deren Uraufführung gleich mehrfach und in ganz unterschiedlichen Interpretationen erleben.

Was beim ARD Musikwettbewerb 2023 auffiel und nicht immer selbstverständlich war, dass eine weitgehende Übereinstimmung zwischen den Juryentscheidungen und dem Publikum bestand, was die Platzierung der Preisträger angeht. 215 Musiker aus 34 Ländern waren nach München, die Teilnehmer aus Deutschland bildeten die stärkste Fraktion, gefolgt von Südkorea, China, Japan und Frankreich. Mit vier ersten, vier zweiten und vier dritten Preisen ging der Wettbewerb am Sonntag, 10. September zu Ende.

Die noch folgenden Preisträgerkonzerte werden am Mittwoch, 13.09., Donnerstag, 14.09. und Freitag, 15.09. jeweils ab 20 Uhr live in den Kulturprogrammen der ARD übertragen. Eine Sendung zum Finale im Fach Viola mit Tabea Zimmermann als Studiogast gibt es im BR Fernsehen am Sonntag, 17.09. ab 10 Uhr.

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