Für die Geigerin Anne Battegay und für den Dirigenten Marc-Olivier Oetterli ist ihre Veröffentlichung The Essential Hebrew Violin bei Ars Produktion etwas ganz Besonderes: Die eingespielten Werke der meist jüdischen Komponisten widerspiegeln Anne Battegays eigenen kulturellen Wesenskern. Anne Battegay fühlte sich schon früh von der Musiktradition ihrer Vorfahren magisch angezogen - vor allem, wenn es um die Rolle der Violine als ausdrucksstark 'singendem' Medium geht.

Anne Battegay

Was bedeutet diese Produktion für Sie?
Fast jedes Repertoire wurde schon so häufig aufgenommen. Für mich ist es wichtig, dass ich etwas Neues ausdrücken kann, wenn ich etwas aufnehme. Dass Menschen hören und spüren: Da spricht jemand zu mir. Diese Musik fühlt sich an, als wäre sie tief in meiner DNA drin In dieser Musik ist viel Leben und Liebe enthalten und ich möchte diese wunderschönen Stücke auf einem Tonträger veröffentlichen.

Was ist das besondere an diesen Stücken?
Ich fand schon sehr früh zu dieser jüdischen Musik und sie gefiel mir von Beginn  an. Vor allem spricht mich die Rolle der Geige in dieser jüdischen Musik besonders an. Das Geigenrepertoire in der Klassik ist unendlich und es gibt so viele Stücke, die ich liebe und spiele. Aber zu dieser Musik, die auf der CD eingespielt ist, habe ich eine unmittelbarere Liebe gefunden.

Sie haben in drei Tagen zusammen mit der Kurpfälzischen Kammerphilharmonie und Marc Olivier Oetterli diese neu arrangierten Stücke eingespielt. Hat dieses intensive Teamwork eine Vorgeschichte?
Ich bin nach Mannheim gekommen und kannte das Orchester noch nicht. Ich kannte jedoch Marc Olivier Oetterli. Ich bin dann in die Probe gekommen, wir haben uns herzlich und gespannt begrüßt, denn  ich war etwas nervös und fragte mich, was kommt da jetzt auf mich zu? Die Proben mussten dann erst mal etwas anlaufen.

Was hat sich dann entwickelt?
Ein großer Unterschied zur normalen Probensituation ist: Sobald das Mikrofon vor uns stand, waren alle sofort viel konzentrierter. Ich habe gemerkt, wie diese Stücke den allen immer mehr zu Herzen gegangen sind und eine echte, gemeinsame Interpretation gefunden zustande kam. Ich habe gespürt, dass die Musiker im Orchester es genauso ausdrücken wollten, wie ich mir das vorstelle – aber auch für mich war es eine weitere Entwicklung. Ich finde, das ist so schön geworden. Alle waren so engagiert, das spürten wir alle – es war inspirierend. Es war eine sehr schöne Art des Musizierens!

Was für Herausforderungen sind in dieser Musik vorhanden?
Es gibt Stücke wie Kaddish, Kol Nidrei oder Hebrew Lullaby, die sich  geradezu angeboten haben, sie für Violine und Streichorchester zu arrangieren. Sie sind relativ leicht zugänglich für ein entsprechendes Projekt. Aber es brauchte das Können von Marc-Olivier Oetterli, es auch zu komponieren und umzusetzen. Ich kann nicht ins Detail gehen, aber die ‘liegenden’ Akkorde waren eine Herausforderung. Manchmal schafft  ein durchgehender Bass für viel Klarheit. Das Caprice Hebraïque hat einen ganzen Tag in Anspruch genommen. Das Stück hat sehr viele Motive und viele kleine Noten und es müssen viele verschachtelte Details ineinandergreifen.

Ich finde die harmonischen Kombinationen sind auch sehr raffiniert.
Ja, auch die Tonarten sind schwierig, das stellt hohe Anforderungen an die Intonation. Es kommen zwar immer die ähnlichen Teile, da die Struktur über weite Strecken repetitiv ist, aber die Schwierigkeiten der Intonation bleiben.  Dies für uns hinzubekommen war wichtig, denn sonst geht die Wirkung verloren.

Viele Stücke sind Ihnen ja schon von den Klavierversionen her vertraut. Was ist jetzt bei den Neuarrangements für Orchester anders?
Alleine mit Klavier bist Du flexibler, eben weil man nur zu zweit ist. Das ist natürlich einfacher. Aber mit dem Orchester entfaltet sich die Musik viel mehr, es entstehen neue Farben. So hat die Harfe eine zauberhafte, neue  Farbe dazu gegeben, was einen wunderbaren  Effekt hat.

Wer hat die Arrangements mit der Harfe gemacht?
Das Arrangement hat Lucas Medlan kreiert. Wir mussten im Prozess noch so manche Details ändern. Wir haben ja vieles in der ersten Probe hier zum ersten Mal gehört. Wir mussten noch einige Passagen ändern und die Musiker mussten sehr flexibel sein. Wir hatten ganz schön viel Respekt vor diesen Arrangements. Aber alle waren sehr motiviert und haben mit Freude mitgemacht. Manches kann man erst entwickeln und entfalten, wenn man im Prozess drin ist. Und es kommt auch darauf an, bei allem effizient zu bleiben.

Anne Battegay

Ich denke, für ein Profiorchester ist es immer wieder ein erfrischender Input, mal ganz neue Noten auf den Pulten zu haben.
Absolut. Als Beethovens Pastorale uraufgeführt wurden, waren die Noten noch feucht auf dem Papier. Das Orchester habe die frischen Noten erst wenige Stunden vor der Aufführung auf den Pulten gehabt. Früher war so etwas offenbar normal.

Was gibt es sonst noch für Herzensprojekte?
Ich habe viele Streichquartette gespielt und viel Kammermusik. Wir haben viel Beethoven gespielt, auch die späten Beethoven-Streichquartette, zum Beispiel das Rasumovsky-Quartett. Wenn ich ein ganzes Jahr einen einzigen Komponisten spielen könnte aus dem Streichquartett-Repertoire, dann wäre es Beethoven. Das ist eine tiefgehende Musik, was für mich sehr erfüllend ist.
Ansonsten unterrichte ich am Gymnasium Liestal und der Kantonsschule Bülach. Ich spiele viel in der Oper, was ich auch liebend gern mache. Die Opernwelt ist eine ganz andere Welt, in der so viele Metiers und Berufe zusammen kommen. Dass wir als Orchester Teil dieses Ganzen sind, finde ich spannend und in der Aufführung aufregend.

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