Konzerthaus Wien

Wenn die Freundinnen Anna Prohaska und Patricia Kopatchinskaja, Sopran und Geige, zusammen einen Abend auf der Bühne gestalten, dann kann es nur etwas Aufregendes werden, das manchen abschrecken mag, aber auch ihre Bewunderer in Begeisterung stürzt. Auf jeden Fall ist ein Konzert von KopPat, wie sie sich selber nennt, immer ein unvergessliches Erlebnis, meint Uwe Krusch, der für Pizzicato das Konzert besucht hat.

Das fing schon mit dem Titel an, Maria Mater Meretrix, also Maria Mutter Hure. Da schien Unvereinbares zusammen zu kommen. Das ging dann mit der Programmfolge weiter, die 20 Werke oder Ausschnitte von 15 Komponisten aus allen Jahrhunderten, aus denen geschriebene Musik überliefert ist, zusammenfügte. Und das Mosaik bot weiter thematisch in vier Gruppen gefügte Musik, die in zwei Abschnitten, nur durch die Konzertpause getrennt, auch durch kleine Zwischenspiele in zwei Blöcke gefasst wurde. Das ersparte das ständige Applaudieren und damit auch Zerreißen der Darbietung.

Von Hildegard von Bingen über Tomás Luis de Victoria, Antonio Lotti, Joseph Haydn und Gustav Holst und Lili Boulanger sowie Kurtág bis hin zu PatKop reichte die Werkauswahl. Verbindend für alle Werke war die Darstellung der Frau in der Musik durch zehn Jahrhunderte. Dabei kamen die Jungfrau Maria, etwa durch das Maria-Triptychon von Frank Martin, Maria Magdalena bei Caldara und Kurtág und eben auch die andere Seiten, etwa im Kuppellied von Hanns Eisler, vor. Die ganze Breite der Betrachtungen und der musikalischen Ausdruckwelten lässt sich in wenigen Zeilen gar nicht darstellen.

Diese Entdeckungsreise sah die Protagonisten als Forschende voller Sinn und Sinnlichkeit, die sie in Solos, in Duetten, oder größeren Besetzungen bis hin zum großen Orchester auskosteten. Als Begleiter für diesen Abend hatten Anna und Patricia das Ensemble Resonanz hinzugezogen. Diese Vereinigung, die in selber auch experimentierfreudig agiert, bot die ideale Ergänzung.

Optisch bot Anna Prohaska die passende Ergänzung, da sie in einem historisch anmutenden Kostüm, wie man es beim Minnesang, also der Verehrung einer meist hochgestellten Frau einordnen würde, auftrat. Gesanglich bot sie beste Kost auf der Höhe der heutigen Zeit. Ihr gelang es, kurze Splitter wie in den ausgewählten Kafka-Fragmenten von Kurtág, ausgedehnte und vielschichtige Szenen wie im Maria-Tryptichon von Frank Martin, schlichte Schönheit wie in der Caldara Arie und auch das diseusenhafte im Eislers Kuppellied mit solcher Finesse und jeweils angepasster Stimmführung, die immer phänomenal textverständlich war, heraus zu kitzeln, dass man die Geigerin Kopatchinskaja und das Ensemble Resonanz beinahe vergessen hatte. Prohaska zeichnete sich durch leidenschaftlichen Gestaltungswillen aus und verstand es dementsprechend, ihre jeweilige Rolle dramatisch und realistisch zu gestalten. Dank ihrer feinen Gesangstechnik gelang es ihr wunderbar, die Texte mit dem Musikalischen in Einklang bringen. Sie drang so tief in die Themen ein, dass sie jede Emotionslage mit dem Gespür für die Lieder deutlich machen konnte.

Wie gesagt, diese Darbietung war nicht ohne das Zusammenwirken mit Patricia Koptchinskaja und dem Ensemble Resonanz denkbar. Zumal diese mit kleinen theatralischen Effekten, wie Fernorchestern oder dem Einmarsch des Ensembles durch den Zuschauerraum nach der Pause noch weitere außermusikalische Akzente setzten. KopPat setzte daneben ihre eigenen Akzente, wie in den Kafka-Fragmenten, beim Maria-Triptychon und natürlich in ihrer eigenen Komposition Danse macabre. Zunächst als solsitische Stimme, hatte sie hier neckische Anmerkungen für das Ensemble mit ein komponiert, aus denen sich ein witziger instrumentaler Dialog mit den anderen Musikern ergab. Dabei hatte sie ein sicheres Gespür, nicht nur Effekte zu setzen, sondern eine stilvolle kleine Komödie zu formen.

Das Ensemble Resonanz war nur partiell intensiv eingebunden. Aber den ganzen Abend über verfolgten sie das Agieren der Solistinnen aufmerksam und kamen in ihren Beiträgen interpretatorisch sofort auf den Punkt. Mit Witz und Charme, beispielweise der Schlagzeuger, setzen sie eigene kleine Nadelstiche, die weitere Schmunzelmomente auslösten.

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