Claude Debussy: Pelléas et Mélisande; Jacques Imbrailo, Michaela Selinger, Vincent Le Texier, Doris Soffel, Wolfgang Schöne, Dominik Eberle, Mateusz Kabala; Essener Philharmoniker, Stefan Soltesz; Regie: Nikolaus Lehnhoff; Bühnenbild: Raimund Bauer; Bild 16:9; Stereo & Surround; 1 DVD Arthaus Musik 101686; 2012 (151') – Rezension von Guy Wagner

Wollte man diese Produktion von ‘Pelléas et Mélisande’ im Essener Aalto-Musiktheater mit wenigen Worten charakterisieren, so könnte man behaupten, dass hier Angst und Beklemmung vorherrschen. In die nur angedeuteten Innenräume von Schloss Allemonde, mit allgegenwärtigen Treppen, strömt nur durch einen rautenartigen Lichtschacht etwas Helligkeit von oben herein, und so fühlt man sich wie in Edgar Allen Poes ‘Der Untergang des Hauses Usher’. Erst ganz zum Schluss öffnet sich die Bühne nach hinten und lässt Licht herein, aber dann ist das Drama vollzogen.

In dieser düsteren, halb surrealistischen Welt spielt sich in der Tat ein dumpfes Drama von Liebe und Eifersucht, aber vor allem von Einsamkeiten ab. Mit ihm setzte Claude Debussy am 30. April 1902 in der Pariser ‘Opéra Comique’ (Salle Favart) neue Akzente fürs Musiktheater. Bei ihm schaffen es die Gefühle nicht mehr, sich in Worten zu artikulieren, und so bringt der Komponist, wohl erstmals in der Musikgeschichte, das Schweigen, eher, das Unausgesprochene auf die Bühne. Pelléas und Mélisande können das Unsagbare ihrer Liebe nicht in Worte fassen, und das stellt den großen Unterschied zu jenem anderen Liebespaar dar, das knapp 40 Jahre zuvor die Musik entscheidend geprägt hat: Tristan und Isolde.

Überzeugend sind die Protagonisten der nun auf DVD vorliegenden Essener Produktion: Jacques Imbrailo als naiv liebender, attraktiver Pelléas und Michaela Selinger als traumwandlerische Kindsfrau Mélisande machen die erotische Spannung zwischen ihnen fassbar. Vincent Le Texier ist ein vor pathologischer Eifersucht zum Mörder werdender Grobian Golaud, Wolfgang Schöne ein weiser, nobler König Arkel. Doris Soffel als Mutter Geneviève sowie Mateusz Kabala als Doktor vervollständigen die homogene Besetzung. Es gibt nur eine Einschränkung: Zwar ist es reizvoll die Rolle des kleinen ‘Petzers’ Yniold mit einem knapp zehnjährigen Knaben zu besetzen, doch die hübsche Stimme des Jungen trägt nicht recht und ist kaum zu verstehen. Hat der Regisseur deshalb die zweite Yniold-Szene im 4. Akt – ‘Oh! cette pierre est lourde…’ – weggelassen?

Die wirklichen Träger des Dramas aber sind, bei aller Qualität der Inszenierung und der Darsteller, die Essener Philharmoniker unter Stefan Soltesz. Was diese Musiker an Atmosphäre, an Stimmungen, an Nuancen unter der sicheren, subtilen Leitung ihres Chefdirigenten gestalten, macht die wahre Qualität dieser Produktion aus.

Nikolaus Lehnhoff and Raimund Bauer transform Debussy’s Pelléas and Mélisande in a world of fear and oppression to which the soloists as well as the orchestra perfectly respond under the subtle direction of Stefan Soltesz

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