Echo of Bach: Johann Sebastian Bach: Partita für Violine solo Nr. 2; Xavier Dayer: Cette âme a six ailes tout comme les Séraphins; Clara Jaz: ...Echo… + Introduction + Vergissmeinnicht; Johann Paul von Westhoff: Suite für Violine solo Nr. 5 d-Moll; Eugène Ysaÿe: Sonate für Violine solo Nr. 2 op. 27; Agata-Maria Raatz, Violine und Stimme; 1 CD Solo Musica SM439; Aufnahme 05. + 06.2021, Veröffentlichung 04.08.2023 (64'38) – Rezension von Pál Körtefa

Die zweite Partita von Bach steht im Zentrum dieser CD und bietet zusammen mit dem Titel Echo of Bach den ersten Anknüpfungspunkt. Agata-Maria Raatz entwickelt die Allemande in aller Ruhe und Sorgfalt und bietet so einen veritabel sorgfältig ausgeloteten Satz, der sich wie eine kleine Geschichte entfaltet. Auch die Sarabande als dritter Satz wird auf diese Weise detailliert aufgefaltet. Die dazwischen angesiedelte Corrente stellt sie dem Titel entsprechend laufend vor. Das bietet einen reizvollen Gegensatz zu den umgebenden Stücken, aber auch die Gefahr, auch mal aus dem Tritt zu kommen oder zumindest den Eindruck zu hinterlassen, dass es dazu kommen könnte. In der Gigue, in der Raatz wiederum flott unterwegs ist, gelingt es ihr, ihre Vorstellungen mit sorgfältig austariertem Spiel zu präsentieren. Der maßstabgebende Satz dieses Werkes aber ist die große abschließenden Ciaconna. Auch hier entwickelt die Geigerin eine fließende und zugleich entspannt wirkende Interpretation. In Einzelheiten wie den früh im Satz fast geschlagenen Akkorden oder manchen ein wenig monoton wirkenden Tonfolgen mag man andere Vorstellungen von der Musik haben. Aber Raatz gelingt es über den gesamten Satz, ihre Ideen zu zeigen und Hörer mit ihrer Sicht bei der Stange zu halten.

Vorweg widmet sie sich einer Suite für Violine solo von Johann Paul Westhoff, dessen lange übersehene Werke vermutlich Bach zu seinen Solokompositionen für die Violine angeregt haben. Und mit der zweiten Sonate von Ysaÿe wendet sie sich einer jüngeren Epoche rundet sie den Rahmen um Bach ab. Beide Stücke zeigen sie ebenfalls als versierte Geigerin auf sehr hohem Niveau, die musikalisch viel zu sagen hat und auch technisch einwandfrei umsetzen kann.

Als Garnierung sozusagen bietet sie dazu zeitgenössische Werke. In einem Fall, mit Cette âme a six ailes tout comme les Séraphins, also ‘Diese Seele hat sechs Flügel wie die Seraphim’ von Xavier Dayer zeigt sie ein modernes Echo auf die Ciaconna von Bach. In den drei anderen kleinen Sätzen hat sie selber unter dem Pseudonym Clara Jaz moderne Ausdrucksformen gesucht, die sie auch mit alten Methoden, etwa Skordaturen, mischt.

Agata-Maria Raatz zeigt mit ihrer Violine von Jean-Baptiste Vuillaume nicht nur technische Beherrschung, sondern auch ausgefuchste gestalterische Ideen, die zusammen mit den ausgewählten Werken eine weitgreifende Zeitreise bieten, der man gerne folgt.

Bach’s second Partita is at the center of the CD and, together with the title Echo of Bach, provides the first point of contact. Raatz calmly and carefully develops the Allemanda, offering a veritably carefully plumbed movement that unfolds like a little story. The Sarabanda as the third movement is also unfolded in this detailed manner. The intervening Corrente introduces it in a running fashion in keeping with the title. This offers a delightful contrast to the surrounding pieces, but also the danger of getting off track at times, or at least leaving the impression that it might. In the Giga, where Raatz is again brisk, she succeeds in presenting her ideas with carefully balanced playing. The scale-setting movement of this work, however, is the grand concluding Ciaconna. Here, too, the violinist develops an interpretation that is both fluid and relaxed. In details such as the chords almost struck early in the movement or some sequences of notes that seem a bit monotonous, one might have different ideas about the music. But Raatz succeeds throughout the movement in showing her ideas and keeping listeners engaged with her vision.

Beforehand, she devotes herself to a suite for solo violin by Johann Paul Westhoff, whose long-overlooked works probably inspired Bach to write his solo compositions for the violin. And with the second sonata by Ysaye, she turns to a more recent era, rounding out the Bach framework. Both pieces also show her as an accomplished violinist at a very high level, who has a lot to say musically and can also execute it technically flawlessly.

As a garnish, so to speak, she offers contemporary works in addition. In one case, with « Cette âme a six ailes tout comme les Séraphins », i.e. « This soul has six wings like the Seraphim » by Xavier Dayer, she shows a modern echo of the Ciaconna by Bach. In the three other small movements she herself, under the pseudonym Clara Jaz, has sought modern forms of expression, which she also mixes with old methods, such as scordaturas.

Agata-Maria Raatz shows with her violin by Jean-Baptiste Vuillaume not only technical mastery, but also ingenious creative ideas, which together with the selected works offer a far-reaching journey through time that one likes to follow.

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