Gestern berichteten wir vom Konzert der Wiener Philharmoniker in Luxemburg. Dasselbe Programm spielten sie auch im Wiener Konzerthaus unter der Leitung von Tugan Sokhiev. Darüber hinaus konnte Uwe Krusch für Pizzicato auch den Solisten erleben. Dabei handelte es sich um den sehr jungen Pianisten Lukas Sternath, derzeit als Great Talent im Wiener Konzerthaus besonders im Interesse stehend.
Das Programm startete direkt hinein ins Vergnügen. Sternath hatte das Konzert für Klavier und Orchester Nr. 3 C-Dur op. 26 von Serge Prokofiev ausgewählt. Man mochte überrascht sein, dass ein so junger Künstler sich an ein so hochvirtuoses Werk wagte. Aber andererseits war gerade so eine Komposition für einen agilen und hervorragend ausgebildeten Musiker die Chance, sich zu zeigen. Und Sternath nutzte sie. Sicherlich widmete er sich auch den vom Komponisten gestellten hohen Anforderungen mit ebenso glasklarem wie trotz aller zu bewältigenden Akrobatik mit ausdruckssicherem Zugriff. Auch sein Feingefühl und die Taktsicherheit zeugten davon, dass er nicht nur sein Handwerk bestens beherrscht, sondern auch das Werk bewältigte.
Blieb die Virtuosität also immer spürbar, so bildete sie doch nur den Hintergrund für die Musikalität. Manche starke Pranke mag man eher jugendlicher Agilität wie eine nicht bis ins letzte Detail ausgereizte Interpretation noch fehlender Chuzpe als dem fehlenden Können zurechnen. So durfte sich Lukas Sternath vor den Ohren des Lehrers seines Masterstudiums Igor Levit durchaus wohl fühlen.
Die Brillanz wurde von Anfang an vom Orchester mitgetragen. Hier kommt dem Ensemble eine deutlich wichtigere Rolle als in vielen Solokonzerten vor. Manchmal ist es sozusagen wichtig, wo man betont. Zwar handelt es sich um ein Klavierkonzert, also ein Werk mit einer klaren Herausstellung des Soloinstruments. Aber eben auch ein Konzert, das nur mit Hilfe eines Orchesters zum Konzert wird und eben nicht nur einer Sonate.
Das Orchester spielte den kompositorisch ebenbürtigen Part engagiert und mit vollem Einsatz. Dazu hielt der 48-jährige Dirigent Tugan Sokhiev Orchester und Pianist trotz der Anforderungen homogen zusammen und führte es gleichzeitig zu eigener imponierender Stimme. So durfte man eine überzeugende und exitatorische Lesung des Werkes hören.
Als ob es der Herausforderungen noch nicht genug wären, setzte Sternath mit dem 3. Satz aus der Sonate Nr. 7 B-Dur op. 83, natürlich ebenfalls von Prokofiev, noch einen drauf. Diesen Ausschnitt wusste der Pianist so, wie vom Titel benannt, Precipitato, also hastig, zu spielen. Doch auch hier erlebte man ihn als souverän gestaltenden Musiker, nicht nur als Virtuosen.

Tugan Sokhiev
Photo: Askonas Holt
Das in jedem Sinne hochkonzentrierte Konzert hatte schon von der Programmgestaltung her diese Marke gesetzt. War doch nur noch ein weiteres Werk zu hören, nämlich die Burleske in vier Szenen Petrouchka von Igor Stravinsky. In der zuhörenden ersten Fassung führt das Werk die Musik brillanter und bühnengemäßer vor als in der späteren, wenn auch in letzterer der Klavierpart stärker ausgeprägt ist.
Mit der fokussierten, allein auf die Musik gerichteten Gestaltungsweise durch Tugan Sokhiev entwickelte sich auch der zweite Teil des Abends als genussvolles Musikmoment. In dieser ebenso das Heidnische beschwörenden wie die abstrakte Orchesterkultur zeigenden Deutung präsentierte sich das Orchester bestens disponiert und wurde in der Darbietung seinem Ruf als Ausnahmeensemble an diesem Abend gerecht.
Daran hatte das wegweisende Dirigat von Sokhiev, der in allerbestem Einvernehmen mit den Philharmonikern und sie mit ihm schienen, einen entscheidenden Anteil. Lauteste Passagen mochte man kaum als kristallin wahrnehmen, hier wurde der Raum klanglich bis an die Grenzen ausgelotete.
So wurde erlebbar, welchen Gefühlswelten das Publikum bei den ersten Aufführungen von Petrouchka ausgesetzt war. Auch heute noch entfaltet das Werk, wenn so dargeboten, seine Kraft, die vom Publikum wahrgenommen wurde und dafür die Beteiligten hofierte.
Jedenfalls gerieten die Interpreten nicht in die Falle, die Wucht des Werkes nur in einem immer schneller und höher zu suchen, sondern kosteten die Partitur aus. Jugendlichen Überschwang präsentierten die Interpreten nicht, aber durchdachte Qualität auf hohem Niveau.
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