Musikverein Wien

Der Saisonauftakt im Musikverein Wien bot ein außermusikalisches Intermezzo, aber eben auch große Musik, serviert von Gästen. Uwe Krusch für Pizzicato wohnte dem Abend bei.

Er konnte zunächst die Grußworte des Intendanten, der die Programmgestaltung für die Saison erläuterte, hören. Gleichzeitig begrüßte Prof. Pauly herzlich neben Lisa Batiashvili und den Münchner Philharmonikern den Dirigenten des Abends, Lahav Shani.

Nach der Absage eines vorhergehenden Konzertes der Beteiligten durch ein kleines Festival in Flandern, bei dem die angeblich nicht dezidiert ablehnende Haltung des Dirigenten zum Vorgehen der israelischen Regierung und Armee in Palästina und speziell in Gaza den Ausschlag gab, hatte der Musikverein bereits die Kontrolle der Eintrittskarten an die Außentüren verlegt statt an die Saalzugänge. Hierbei war vermutlich nicht bedacht worden, dass sich nachträglich einige Protestierende mitten im ersten Satz des Beethovenkonzertes auf die Stehplätze einschleichen konnten und lautstark die Befreiung Gazas forderten. Die Saaldiener begleiteten diese Personen schließlich wieder nach draußen. Die Musiker hatten derweil das Konzert scheinbar unbeeindruckt weiter gespielt und setzten erst danach neu an, um den Teil konzentriert darbieten zu können.

Ob die Anwesenheit des israelischen und des deutschen Botschafters, des Dirigenten oder einfach die Lust an der Störung der freien Gesellschaft den Ausschlag gaben, kann dahin stehen. Auch hier gilt, dass diese Leute so, wie schon etwa die Klimakleber, ihrem Anliegen keinen Gefallen tun, da sie von der eigentlichen Frage ab- und nur den Zorn auf sich lenken. Und darüber hinaus verärgern sie die Leute, die vielleicht sogar zum Thema sympathisieren mögen. Und erreichen werden die Aktivisten sowieso nichts. Also was soll so ein Unsinn?

Im ausverkauften goldenen Saal des Musikvereins Wien gelang davon abgesehen eine unaufgeregt wirkende, aber spannend detailreiche Interpretation des Violinkonzerts von Ludwig van Beethoven. Auch bei ihrem Auftritt vor zwei Jahren in Wien an anderer Stelle mit anderen Begleitern hatte Batiashvili die Kadenzen von Alfred Schnittke für ihren Vortrag ausgewählt. Und auch sonst mochte man viele Ähnlichkeiten erkennen, etwa in dem geradezu genussvollen, manche mögen es als langsam oder langweilig charakterisieren, Zelebrieren insbesondere der ersten beiden Sätze. Damit boten sie einer liniengebundenen singenden Sicht den Weg, um im genau aufeinander angepassten Zusammenwirken der Solistin ihren Freiraum zu bieten, damit diese ohne technischen oder klanglichen Druck ihre Interpretation entfalten konnte. Nach dieser zutiefst innigen Darbietung war eine Zugabe der Geigerin nicht nötig oder sogar überflüssig.

Anders als in den vorhergehenden Konzerten der Tournee, über die in den letzten Tagen von allen Seiten berichtet worden war, konnten die Münchner sich in Wien an zwei Abenden vorstellen. So hatten sie für diesen ersten Auftritt im zweiten Konzertabschnitt nur eine lange Komposition angesetzt. Das offizielle Programm abschließend ließen sie die Symphonischen Tänze von Serge Rachmaninov hören. Shani, der ab der Saison 206/27 deren Chefdirigent sein wird, bewegte die Münchner Philharmoniker ohne Taktstock und ohne Partitur agierend zu einem die instrumentalen Qualitäten des Ensembles bestens aufzeigenden aufmerksamen und mobilen Zusammenwirken. Dieses vom Komponisten selber als zu seinen besten Werken zählende Stück in drei Sätzen legte Shani in einer die tänzerischen Momente gezielt auslotenden Weise an. Dabei ließ er an den vorgesehenen Stellen die Orchester prägnant, aber nie prollig aufspielen und schuf einen Grundton, der die Musik handfest geführt erklingen ließ und die bei Rachmaninov sonst oft hörbare larmoyante oder gar kitschig süffige Ebene außen vor ließ. Exzellent in den Soli, fein abgestimmt in den instrumentalen Gruppen und souverän gestalterisch im Gesamtauftritt wurden diese Tänze in dieser etwas objektiveren Sicht zum Genuss.

Der intensive und warme Applaus des Publikums inklusive der für den zweiten Abend als Solistin eingeplanten Sol Gabetta gab dem dankbaren Dirigenten die Gelegenheit, seine Hände noch für eine Zugabe zu heben. Es erklang in einer stimmig gewürzten Sicht aus Edward Elgars Variationen über ein Originalthema (Enigma) der Satz Nimrod.

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