
Dies ist ein praktisches Album für jemanden, der verschiedene Facetten im Werk von Sofia Gubaidulina kennenlernen will.
Figures of Time (Zeitgestalten) ist ein 26 Minuten dauerndes Orchesterwerk aus dem Jahr 1989, das hier in der Fassung von 1994 zu hören ist. Es erforscht Themen wie ‘Chaos und Einheit’, ‘Menschlichkeit und das Göttliche’ sowie das ‘Zusammenspiel von Alt und Neu’ mit traditionellen Mustern und innovativen Techniken wie Mikrochromatik, Glissandi und ungewöhnlichen Instrumentenkombinationen. Das ergibt eine formidabel phantasievolle Komposition, die von der Basel Sinfonietta so transparent gespielt wird, wie es sich die Komponistin vorgestellt haben mag.
Das total unkonventionelle Klavierkonzert Introitus wurde 1977 in der für Gubaidulina so schwierigen Zeit der sowjetischen Unterdrückung und der Beschränkung religiöser Äußerungen komponiert. Wie der aus der liturgischen Praxis abgeleitete Titel besagt, ist dies ein spirituelles Werk, in dem das Klavier nicht als dominante Solostimme, sondern als Bestandteil des Ensembles eingesetzt wird. In einer Programmnotiz steht sehr treffend: « Es kontrastiert die Texturen des Orchesters mit den spärlichen Momenten des Klaviers, baut auf Höhepunkte mit religiöser und mystischer Symbolik auf und erforscht musikalische Themen durch Mikrotonalität, Chromatik und große/kleine Terzen. »
Wenn die Rolle des Klaviers im Introitus so spärlich ausfällt, kann man die Pianistin in der knapp viertelstündigen Chaconne für Soloklavier hören, dem frühesten Werk dieses Albums. Es stammt von 1962.
Die selten aufgeführte Revue Music für Symphonieorchester und Jazzband löste bei der Uraufführung in der reaktionären Gesellschaft der Sowjetunion einen Skandal aus, der die Komponistin angeblich in große Gefahr bracht. Das Werk passt eigentlich gar nicht ins Bild, das man sich von Gubaidulina macht. Aber es ist ein Meisterwerk, das stimmungsvoll mit Glockengeläut vor Streicherhintergrund beginnt, ehe Bassgitarre und Blechbläser sowie ein rhythmisch treibendes Schlagzeug das Stück dem Höhepunkt entgegenführen Dann bricht die Musik zusammen und strebt flatterhaft einem klanglichen Chaos zu, aus dem sich eine Big Band-Melodie opulent aufbaut. Titus Engel hält die Spannung von der ersten bis zur letzten, elften Minute aufrecht und zeigt, wie faszinierend dieses eigentlich subversive Stück ist.
This album is ideal for anyone looking to explore the various facets of Sofia Gubaidulina’s work.
‘Figures of Time’ is a 26-minute orchestral piece from 1989 that can be heard here in its 1994 version. Exploring themes such as « chaos and unity, » « humanity and the divine, » and « the interplay of old and new, » it incorporates traditional patterns and innovative techniques, including microchromaticism, glissandi, and unusual instrument combinations. The result is an imaginatively formidable composition played with the transparency the composer intended by the Basel Sinfonietta.
The unconventional piano concerto Introitus was composed in 1977 during a difficult period for Gubaidulina marked by Soviet oppression and restrictions on religious expression. As the title, derived from liturgical practice, suggests, this spiritual work uses the piano not as a dominant solo voice, but as part of the ensemble. A program note aptly states: « It contrasts the textures of the orchestra with the sparse moments of the piano, builds on climaxes with religious and mystical symbolism, and explores musical themes through microtonality, chromaticism, and major and minor thirds. »
While the piano has a sparse role in Introitus, the pianist is featured in the nearly quarter-hour-long Chaconne for solo piano, the earliest work on this album. It dates from 1962.
The rarely performed revue Music for Symphony Orchestra and Jazz Band caused a scandal at its premiere in reactionary Soviet society, allegedly endangering the composer. This piece does not fit the typical image of Gubaidulina. However, it is a masterpiece that begins atmospherically with bells ringing against a string backdrop. Then, bass guitar, brass, and rhythmically driving percussion lead the piece to its climax. Then, the music collapses and flutters toward sonic chaos, from which a big band melody builds opulently.
Titus Engel maintains the tension from the first to the last, eleventh minute and shows how fascinating this actually subversive piece is.