Johannes Brahms: Klaviersonate Nr. 1 op. 1; Schubert / Liszt: Sei mir gegrüßt + Gretchen am Spinnrade + Aufenthalt + Morgenständchen + Der Doppelgänger + Die Taubenpost; Sergei Prokofiev: 10 Klavierstücke op. 12; Sergey Tanin, Klavier; 1 CD Prospero PROSP0021; Aufnahme 02.2021, Veröffentlichung 03.09.2021 (75'08) – Rezension von Remy Franck

Der 26-jährige junge sibirische Pianist Sergey Tanin legt bei Prospero sein Debüt-Album mit einem sehr anspruchsvollen Programm vor.

In der ersten Brahms-Sonate zeigt er uns einen tief in der Romantik verwurzelten, sensiblen Komponisten, dessen Opus 1 er mit ebenso viel Intensität wie Spontaneität spielt. Kraft ist dabei kein vorrangiges Ziel, denn in seinem fein differenzierten Spiel versteht es Tanin, die diversen Gefühlsäußerungen optimal zur Geltung zu bringen. Dass er dabei die Polyphonie und die Rhythmik der Musik mit einer Klarheit und Transparenz offen legt, wie man dies nur sehr selten hören kann, ist die technische Seite, die den musikalischen Diskurs  wohl trägt, ihn aber nicht bestimmt. Wichtiger ist wohl, dass er das Notenmaterial so beherrscht, dass Brahms’ Rhetorik uns ständig fesselt.

Eine Kollektion von Schubert-Liedern in der Bearbeitung von Franz Liszt führt ebenso sinnlich-besinnlich wie technisch beeindruckend zu Prokofievs 10 Klavierstücken.

Diese 10 Stücke sind charakteristisch für die Kompositionen aus Prokofievs Studienzeit und stellen eine große Herausforderung dar. Sie sind sowohl technisch wie auch stilistisch sehr verschieden und enthalten vieles von dem, was Prokofiev später in seinen verschiedenen Schaffensphase an Musik produzieren sollte. Sergey Tanin geht diese Miniaturen sehr entspannt an, spielt mühelos und ohne jede Übertreibung mit den in ihnen enthaltenen Schwierigkeiten, sorgt sich um Transparenz, Melodien und Charme. Selbst im ‘Humorvollen Scherzo’ wird die Motorik eher unterdrückt, und so bekommt der ganze Zyklus durch eine konsequente Zurückhaltung eine ruhige, schöne Linie, die die Interpretation sehr überzeugend werden lässt.

Am Ende bleibt der Eindruck eines technisch überlegenen Interpreten, der sich voll auf seine persönlichen Interpretationen konzentrieren kann. Seine Fingerfertigkeit nutzt er nicht, um eine Show abzuziehen, sondern um mit einer untrüglichen Musikalität, der Musik zu dienen. Sergey Tanin, das ist ein Name, den man sich merken sollte.

The 26-year-old young Siberian pianist Sergey Tanin presents his debut album on Prospero with a very demanding program. In the first Brahms sonata, he shows us a sensitive composer deeply rooted in Romanticism, whose Opus 1 he plays with as much intensity as spontaneity. Power is not a primary goal here, for in his finely differentiated playing Tanin knows how to express the various moods to their best advantage. The fact that he reveals the polyphony and rhythm of the music with a clarity and transparency that can be heard only very rarely is the technical side that carries the musical discourse, but does not determines it. More important, perhaps, is his mastery of the score in such a way that Brahms’s rhetoric constantly captivates us.
A collection of Schubert songs arranged by Franz Liszt leads to Prokofiev’s 10 Piano Pieces Op. 12. The performances of these songs are as sensual and contemplative as technically impressive.
Prokofiev’s 10 Pieces are characteristic of the compositions from Prokofiev’s student days and present a great challenge. They are very different both technically and stylistically, and contain much of the music Prokofiev was to produce later in his various creative periods. Sergey Tanin takes a very relaxed approach to these miniatures, playing effortlessly and without any exaggeration with the difficulties they contain, caring for transparency, melodies and charm. Even in the Humorous Scherzo the motoric is rather suppressed, and so the whole cycle gets a calm, beautiful line by a consequent restraint, which makes the interpretation very convincing.
In the end, we have the impression of a technically superior performer, who can fully concentrate on his personal interpretations. He does not use his technical skills for a pianistic show, but just to serve the music with an unerring musicality. Sergey Tanin, this is a name to remember!

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