Les musiciens et la Grande Guerre, Volume XIX – Dispersion; Erwin Schulhoff: 5 Grotesken op. 21; Paul Hindemith: In einer Nacht (Träume und Erlebnisse) op. 15; Alfredo Casella: Inezie op. 32; Raymond Moulaert: Sonate en fa dièse majeur; Louis Vierne: Poème des cloches funèbres op. 39; Steven Vanhauwaert, Klavier; 1 CD Hortus 719; Aufnahme 09/2015, Veröffentlichung 06/2016 (73'28) – Rezension von Remy Franck

Musik aus Kriegszeiten muss nicht düster sein. Der belgische Pianist Steven Vanhauwaert beginnt sein Programm mit einer sehr verspielten Interpretation der ‘Fünf Grotesken’ von Erwin Schulhoff, die dieser 1917 und 1918 komponierte, als er Soldat der österreichischen Armee war und u.a. in den Dolomiten kämpfte. Nichts ist hier zu spüren von der inneren Revolte des jungen Soldaten.

In Paul Hindemiths neunzehnteiligem und 25 Minuten dauerndem Zyklus ‘In einer Nacht, Träume und Erlebnisse’, op. 15  (1919) haben Musikwissenschaftler impressionistische, andere hingegen expressionistische Musik gesehen. Beides trifft wohl zu in einer facettenreichen Musik, die von tiefer Melancholie zu sehr lebhaften flimmernden Passagen wechselt und mit Zitaten aus  Humperdincks ‘Hänsel und Gretel’ ebenso aufwartet wie mit einem « bösen Traum nach einem Thema aus Verdis Rigoletto ». Hindemith gibt sich eigentlich sehr provokant hier, sehr ironisch auch und treibt das Ganze in einer ‘Doppelfuge mit Engführungen’, einer Kontrapunkt-Parodie, auf die Spitze. Vanhauwaert spielt dieses Stück sehr stimmungsvoll, sehr expressiv und mit einem schillernden Spiel von Farben und Schattierungen.

Nach dem kurzen Dreiteiler ‘Inezie’ von Alfredo Casella folgt die Weltersteinspielung der Klaviersonate von Raymond Moulaert

(1875 – 1962) einem neoromantischen Stück, das Vanhauwaert sehr evokativ spielt. Hier wie in anderen Stücken zeigt der Pianist eine große Sensibilität, die er mit einem sehr schönen Abschlag zu viel Wirkung verhilft.

Nach so viel Charme und Verspieltheit erinnert Viernes düsterer ‘Poème des Cloches: Le Glas’ an das Thema der CD: Der Erste Weltkrieg. Andere Pianisten haben das Drama in der Musik in geschmackloser Art in den musikalischen Exhibitionismus getrieben.  Vanhauwaert hütet sich vor solchem Interpretieren. Er wahrt eine gute Distanz und gelangt so zu einer gerade so subtilen wie wahrhaftigen Emotionalität.

Steven Vanhauwaert’s program with music from the time of the First World War is varied and compelling, and Viernes Le Glas is the only really sombre music. The Belgian pianist is a very fine player, and his performances show an exquisite refinement and atmosphere.

 

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