Soundescapes; Claude Debussy: Streichquartett in g-Moll, op.10 (1893); Thomas Adès: Arcadiana (1994); Maurice Ravel: Streichquartett in F-Dur (1903); 1 CD Capriccio C5239; 12/13 (o.A.) – Rezension von Remy Franck

Diese CD ist ungemein spannend! Die drei Werke erlangen in den Interpretationen des Signum Quartetts etwas Geheimnisvolles, mitunter auch Angstvolles. Um so zu spielen, so zu erzählen, braucht es auf Seiten der Interpreten eine tiefe affektive Bindung zum Notenmaterial, aber auch eine geistige Vorbereitung, welche die Komplexität der Anforderungen klar und vor allem die Ereignisse zwischen Beginn und Ziel deutlich werden lässt. Das scheint mir vorbildlich erfolgt zu sein, weil die Signum-Musiker es darüber hinaus auch noch schaffen, des Hörers innere Sinne direkt anzusprechen und ihn tief in die Musik hinein ziehen.

So entsteht im Debussy-Quartett gleich eine faszinierende Atmosphäre, gar nicht vergleichbar z.B. mit dem, was das Hagen Quartett in seiner ersten Einspielung dieses Opus erzeugte. Das Signum Quartett ist längst nicht so dramatisch, nicht so energetisch und bedient sich vielmehr einer faszinierenden Nuancierungskunst und eines subtilen Spiels mit den Farben, die aus dieser Interpretation etwas ganz Besonderes machen.

Debussy geht auf diese Weise quasi nahtlos in das siebensätzige Quartett ‘Arcadiana’ von Thomas Adès über, das 1994 uraufgeführt wurde und die Ideallandschaft Arkadiens beschreibt, wie sie Vergil in seinen Hirtenliedern geschildert hat. Laut dem Komponisten beschwören die sieben Titel Bilder herauf, die mit der Vorstellung von Idylle, Entschwinden, Entschwundenem und Erfundenem verknüpft sind. Die Sätze mit ungerader Nummer handeln alle vom Wasser und ergeben eine zusammenhängende musikalische Einheit. Der dritte Satz bezieht sich auf das Schubert-Lied ‘Auf dem Wasser zu singen’. Die Überschrift des fünften Satzes wurde von Watteaus Gemälde ‘L’Embarquement pour Cythère’ im Louvre abgeleitet. Der siebte Satz trägt den Namen des mythischen Flusses des Vergessens in der Unterwelt. Der zweite und der sechste Satz haben das pastorale Arkadien bzw. Mozarts ›Königreich der Nacht‹ und andere Gefilde zum Thema. Im Mittelpunkt steht der vierte Satz; er trägt als Titel den Beginn der lateinischen Inschrift ‘Et in Arcadia ego’, die auf Poussins Gemälde im Louvre von Hirten entdeckt wird und an die Vergänglichkeit selbst in der Idealwelt Arkadiens erinnert.

Diese Musik hat im Signum Quartett einen phänomenal begabten Erzähler, der das Konkrete von Adès’ Gedanken in ihrer musikalischen Abstraktion emotional auszudrücken versteht und damit für den aufmerksam vertieften Hörer Deutungsräume voller suggestiver Hilfen schafft.

Introspektion und raffinierte Affektnuancen bestimmen auch das Ravel-Quartett, in dem wir, wie in den beiden ersten Werken, die Klangbalance des Ensembles bewundern, das die Musik in eine Art sensuellen Traum verwandelt, der die ganze Delikatesse von Ravels Musik wiedergibt. Und so wird diese CD summa summarum ein Zufluchtsort für geheimnisvolle Gedanken, Wünsche und Sehnsüchten, aus dem uns der letzte Satz des Ravel-Quartetts in einer besonders stringenten und extrovertierten Interpretation herausreißt.

Signum Quartett adds another outstanding recording to its Capriccio Series. With an impressing palette of colours and nuances they give the music of Debussy and Ravel the awe and mystery that familiarity has sometimes dimmed, an in-between they convince with a beautiful performance of Thomas Adès’s marvellous Arcadiana Quartet.

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