Julia Fischer und Daniel Müller-Schott haben für das Münchener Label Orfeo die CD 'Duo Sessions' eingespielt, ihre erste Duo-Platte, mit selten zu hörenden Werken für Violine und Cello von Kodaly, Ravel, Schulhoff und Halvorsen. Remy Franck hat sich mit den beiden Musikern über die CD und anderes unterhalten.

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Duos für Violine und Violoncello gehören nicht zum gängigen Repertoire. Wie kam dieses Programm zustande?
DMS: Wir hatten 2003 die Ravel-Sonate zusammen gespielt, und das funktionierte so gut, dass wir uns immer wieder neue Stücke vorgenommen haben, und diese CD ist eigentlich das Resultat einer zwanzigjährigen Entwicklung. So lange nämlich kennen wir uns.

Nun ist dies ja kein Zugaben-Programm, sondern eine CD mit wirklich substantiellen Werken.
JF: Ja, wir wollten schon die wichtigen Stücke aus dem Repertoire spielen. Zoltan Kodalys ‘Duo für Violine und Violoncello’ und Ravels ‘Sonate für Violine und Violoncello’, das wohl repräsentativste Stück für diese Instrumentenmischung, haben wir oft zusammen gespielt. Die Ravel-Sonate zeigt, was man an Farben und rhythmischen Raffinessen mit diesen beiden Instrumenten alles machen kann. Darüber hinaus ist die CD eine Momentaufnahme, wo wir mit diesen Werken stehen. Aber die Reise geht weiter…
DMS: Beide Werke sind ja auch sehr innovativ für die Zeit, in der sie entstanden. Die beiden genannten Komponisten haben damit ihre eigene Stimme gesucht und waren auch bereit, Risiken einzugehen.Erwin Schulhoffs Duo für Violine und Violoncello ist eine sehr tiefschürfende und sehr eindringliche Musik. Und unser Halvorsen ist eine Zugabe, die wir oft nach dem Brahms-Doppelkonzert spielen: es ist ein brillanter Abschluss!

Was macht den Reiz dieser Instrumentenmischung aus?
JF: Ich komme ja ursprünglich vom Klavier. Und konkret ist das Cello das, was mir auf der Geige fehlt (lacht). Cello und Geige zusammen erweitern das Spektrum enorm. Man kann sehr polyphon arbeiten, und diese Werke sind ja auch sehr polyphon angelegt, vor allem der Kodaly, wo wir viel mit Doppelgriffen spielen. Das ist fast wie eine Klaviersonate.
DMS: Die Komponisten haben wahrscheinlich vom Klavier her gedacht, am Klavier probiert und sich dann im inneren Ohr vorgestellt, wie das auf zwei Streichinstrumenten klingen könnte. Und was die Streichinstrumente vom Klavier unterscheidet ist, dass man einen Ton ja anders formen kann, dass der Ton nicht in dem Moment verklingt, wo er angeschlagen wird, sondern im Moment, wo er gespielt wird, erst entsteht, wie beim Singen auch, so, dass ein Ton wirklich aufblühen kann.

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Julia Fischer & Daniel Müller-Schott (c) Schneiderphotography

Warum sollen die Musikfreunde diese CD kaufen?
JF: Nun, diese CD enthält ein Repertoire, das nicht ständig auf den Markt kommt, ein sehr spannendes Repertoire, das man unbedingt kennen lernen soll. Und die Instrumentenmischung ist sehr reizvoll. Es ist fast wie ein Klavierrecital. Im Idealfall entsteht aus uns beiden eine Person.
DMS: Die Hörerfahrung, die man mitnimmt, ist wirklich erfrischend. Es gibt eine gewisse Energie, die die Werke in sich tragen, eine Spannung, und es ist Musik, die so intensiv ist, dass sie einen nicht loslässt. Sich damit zu beschäftigen, sich die Stücke mehrmals anzuhören ist eine intensive und bereichernde Erfahrung. Das sollte man ausprobieren!

Angesichts der Fülle an CDs, die monatlich erscheinen, ist es ja wichtig, dass eine CD auch wahrgenommen wird. Man sagt gerne, eine CD, die nicht besprochen wurde, sei gar nicht erschienen. Was erwarten Sie von mir? Sind wir zusammen im Boot? Oder sehen Sie den Rezensenten als Gegner an?
(beide lachen) JF: Also, ich habe den Kritiker nie als Feind angesehen. Das kann ich ehrlich sagen. Es gibt gute Kritiker und es gibt schlechte Kritiker, genauso wie es gute Musiker und schlechte Musiker gibt. Es gibt die Kritiken, die ich interessant finde und dem entsprechen, was ich selber empfunden habe. Es gibt Kritiken, die ich überhaupt nicht verstehe. Ich lese im Übrigen auch nicht alles, was über mich veröffentlicht wird. Aber es gibt schon manchmal Hinweise, die ich für sehr interessant halte, die neue Ideen bringen, wofür ich dann immer sehr dankbar bin. Also, ich sehe den Kritiker sicher nicht als Feind an.
DMS: Das kann ich unterschreiben. Wir sitzen alle in einem Boot. Wir kümmern uns im besten Fall um Musik, um den Wert der Musik. Dass da die Meinungen auseinandergehen können, ist ganz normal. Man liest ja auch aus Rezensionen, ob sich jemand wirklich mit dem Gespielten auseinander gesetzt hat oder nicht, und wenn sich jemand kritisch mit Dingen auseinandersetzt, finde ich das immer positiv und anregend, und dann man man auch in diesem Austausch sehr viel lernen.

Sie sind beide sehr bekannte Künstler, an die das Publikum hohe Erwartungen stellt. Ist das ein Stress für Sie, wenn Sie ins Studio kommen und denken: Wir müssen jetzt Höchstleistung produzieren.
DMS: Davon muss man sich befreien. Der einzige Druck ist der eigene Anspruch.
JF: Daniel und ich sind ohnehin nicht die gestressten Musiker. Ich glaube, dass sehr viel von Nervosität und Stress dadurch kommt, dass man sich selbst zu wichtig nimmt. Ich gehe ja nicht ins Studio, um zu zeigen, wie toll ich bin, sondern weil ich dem Publikum Ravel, Schulhoff, Kodaly und Halvorsen nahebringen möchte. Und wenn man das in den Fokus stellt und nicht sich selber, verfliegt ein großer Teil der Nervosität.

Ist live oder Studio für Sie ein Thema?
JF: Ich bin für beides offen. Ich finde es reizvoll, wenn ich mit einem anderen Musiker etwas aufnehme und bei den Aufnahmen noch diskutieren und probieren kann. Dabei lernt man unglaublich viel. Bei Solostücken ist live für mich genau so reizvoll wie Studio.
DMS: Ich glaube, im Studio hat man die Chance, Dinge zu verfeinern, weil man unmittelbar den akustischen Abdruck von dem erhält, was man produziert hat, und dann an Details arbeiten kann. Das Liveerlebnis muss sich mit der CD decken. Im Idealfall ist es so, dass das, was wir bei der CD-Aufnahme verfeinert haben, auch im Konzert hörbar werden soll.

Zurück zu Ihrem Duo. Wo sind ihre gemeinsamen Ursprünge?
JF: Wir sind beide aus München. Wir waren beide eingeladen zu einer Diskussion über hochbegabte Kinder. Ich war damals 13 und Daniel war 19. So haben uns kennengelernt. Wir sind uns dann immer wieder an der Hochschule und in Konzerten über den Weg gelaufen. Daniel hatte damals schon den Tchaikovsky-Wettbewerb für junge Musiker gewonnen, ich hatte zu dem Zeitpunkt Eurovision und Menuhin Wettbewerb gewonnen, und ich habe mich immer wahnsinnig gefreut, wenn ich Daniel getroffen habe. Für kurze Zeit waren wir dann auch in derselben Agentur und so entstanden die ersten gemeinsamen Projekte. Wir haben dann über die Jahre viel zusammen gespielt.

Im Julia Fischer Quartett spielen Sie nicht zusammen…
DMS: Ich komme freilich öfters im Quintett hinzu.
JF: Es ist wirklich schwierig, die Leute immer wieder zusammen zu bekommen.

Was bedeutet Kammermusik für Sie?
JF: Zusammen Musik machen! Kommunikation in der Musik! Das beginnt bei zwei Leuten und geht bis zum Violinkonzert. Im Idealfall soll das Kammermusik mit bestimmten Orchestergruppen, oder mit dem Dirigenten sein. Kammermusik ist zuhören und auf den anderen eingehen.
DMS: Wir haben eigentlich beide sehr früh Kammermusikerfahrungen gesammelt, und das ist sehr wichtig für die Entwicklung einer Karriere. Die Kammermusik lehrt uns, bescheiden zu bleiben, sich zu sagen, man sei eben nicht der große Solist, und wenn man die damit verbundene Wertschätzung der musikalischen Partner auch in einem Orchesterkonzert entwickeln kann, ist das ein wesentlicher Punkt für eine gute Zusammenarbeit.

Was ist anders bei einem Duo als beim Quartettspiel?
JF: Zwei Eitelkeiten weniger (lacht). Je größer die Formation, je mehr Leute gibt es, die ihren Senf dazu geben. Zu zweit ist es einfacher. Zu viert ist es deutlich schwieriger, eine harmonische Probensituation zu bekommen.
DMS: Ein Quartett braucht schon fast etwas wie einen halben Dirigenten. Ich plane eine Tournee mit dem Georgischen Kammerorchester und da bin ich Solist und derjenige, der probt. Da muss ich dann schon wissen, was will und wo ich ansetze.

Und Ihre Instrumente, Ihre Guadagnini-Geige und Ihr Goffriller-Cello, vertragen die sich auch?
JF: Das Instrument verändert sich ja auch mit dem Spieler. Jeder Musiker sucht sich ja ein Instrument aus, das zu ihm passt, und wenn in der Kammermusik die Musiker zusammenpassen, dann passen die Instrumente halt auch.
DMS: Wenn ich an Julias Geige denke, wie sie klang, als sie sie bekam, und wie sie heute klingt, das ist ein riesiger Unterschied. Und das ist sehr spannend, dass der Musiker sein Instrument über viele Jahre prägt. Mein Goffriller klang am Anfang auch ganz anders als heute. Mein Vorgänger hat sehr viel unterrichtet auf dem Instrument und er hatte geschmacklich ein völlig anderes Set Up. Mit mir hat das Instrument über die Jahre wahnsinnig an Geschmeidigkeit gewonnen und es ist sehr viel leichter zu spielen. Und weil ich ja mit dem Goffriller ein italienisches Cello habe, bei dem das Bassfundament sehr ausgeprägt ist, kommt das unserem Duo Geige-Cello sehr zugute.

Sie haben gesagt, es sei manchmal schwierig, Termine zu finden, wo Sie zusammen musizieren können. Ist die Musikwelt nicht zu stressig geworden? Können Sie sich wehren gegen die vielen Angebote?
JF: Ich kann mich ganz gut wehren. Ich bestimme über mein Leben selber. Man muss als Musiker dafür sorgen, selber bestimmen zu können. Man muss als Musiker wissen, wieviel gut und richtig ist und wie viel Platz man für ‘anderes Leben’ haben will. Dass einzelne Musiker sehr viel machen, ist dann auch deren Entscheidung. Menuhin hat manchmal an die 500 Konzerte im Jahr gespielt. Das schaffe ich in zehn Jahren nicht.
DMS: Casals hat 250 Konzerte im Jahr gespielt…Und weil das Reisen in unserer Zeit schneller vonstattengeht als damals, mag es sogar heute alles einfacher sein als früher.
JF: Es gibt gewiss Agenten, die vor allem junge Künstler regelrecht durch den Musikbetrieb jagen, um möglichst viel Geld zu verdienen. Aber aus dem Alter, wo man etliches machen muss, sind wir raus. Wir spielen seit nunmehr 20 Jahren und heute können wir wirklich selber bestimmen, was wir machen wollen.

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Was hat sich denn in den 20 Jahren im Musikleben verändert?
DMS: Ich habe gerade mein Archiv aussortiert und ich habe mir dabei Programme angeschaut. Ich habe den Eindruck, dass die Programme früher facettenreicher waren und sich heute mehr am Publikumsgeschmack orientieren. Ich glaube also, dass mehr dafür getan werden muss, ein etwas anspruchsvolleres und schwierigeres Repertoire in den Konzertsaal zu bringen.
JF: Das Repertoire hängt mit dem Zeitprobleme zusammen. Wenn Musiker zu viel um die Ohren haben und nur zwei Proben benutzen, um ein Konzert vorzubereiten, dann können sie nicht die unbekannte Symphonie von Dvorak nehmen, sondern halt doch wieder die Neunte, weil sie das Orchester schon kennt. Man macht sich das Leben leichter. Dasselbe gilt für Kammermusikprogramme. Wenn ich mit einem Pianisten spiele und ich möchte ein außergewöhnliches Programm machen, werde ich mehr Zeit brauchen, und oft klappt das nicht. Ich achte bei meinem Kalender sehr darauf, dass ich ein abwechslungsreiches Programm spiele und in jeder Saison auch Neues anbiete. Wenn man sich abgewöhnt, sich neue Stücke anzueignen, wird es immer schwieriger, etwas Neues zu lernen. Das ist nämlich ein sehr schwerer Prozess. Ein Werk neu zu erarbeiten, die Partitur auswendig zu lernen, ist sehr schwierig. Je öfter man es macht, desto einfacher wird es.

Sie haben vorhin gesagt, dass Sie jetzt auch dirigieren wollen…
DMS: …leiten, nicht dirigieren. Noch bin ich am Instrument.
JF: Noch? Das heißt Du denkst dennoch ans Dirigieren? Das ist ja ganz neu!
DMS: Ich schließe es nicht aus!

Erleichtert das die Aufgabe des Solisten, wenn er selber die Dinge in der Hand hat?
DMS: Die Kontaktpunkte sind näher, weil ich am Instrument sofort Dinge zeigen kann, und das ist gerade beim Kammerorchester sehr vorteilhaft. Aber ansonsten kreisen meine Gedanken um das Thema Zeit, und ich denke zurück an Celibidache, der eine Woche lang probte und viele Leute zu den Proben einlud. 15 bis 20 Proben hat er manchmal gemacht, und der Saal war immer voll! Und er hat so phantastisch über Musik gesprochen, hoch philosophisch mit dem Leben verknüpft. Das war immer sehr spannend. Als Kind hat mich meine Mutter mitgenommen und diese Ausstrahlung hat mich schon geprägt.

Julia Fischer kann aber nicht gleichzeitig Klavier und Geige spielen…
JF: Nein, aber Klavier mit Cello mache ich schon. Mit Daniel habe ich die Arpeggione gespielt. Vielleicht mache ich in einer Saison nur Klavier. Wer weiß was noch alles kommt?

Duo Sessions
Kodály, Schulhoff, Halvorsen, Ravel
Julia Fischer, Violone
Daniel Müller-Schott, Violoncello
Orfeo C 902 161 A

Zur Rezension geht es hier.

Radio 100.7Das Interview ist in voller Länge am 02.10.2016 um 10:05 Uhr
in der Sendereihe ‘Muséker am Gespréich’ von Radio 100,7 zu hören.

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