Asya Fateyeva (1990) ist eine ukrainische Saxophonistin, die als Solistin auftritt und Tenor-Saxophon im Alliage-Quintett spielt. Seit 2014 ist sie Dozentin für klassisches Saxophon an der Musikhochschule Münster. Alain Steffen hat mit ihr folgendes Gespräch geführt.

Asya Fateyeva
(c) Neda Navaee

Asya Fateyeva, das Saxophon ist ja  kein Instrument, das im Bereich der klassischen Musik eine tragende Rolle spielt. Warum hat es sich hier nicht, wie im Jazz wirklich durchgesetzt?
Diese Frage wundert mich auch, denn das Saxophon wurde viel früher erfunden als der Jazz. Es kam natürlich etwas spät zur Welt, um von Anfang an bei dem traditionellen Orchester von Beethoven präsent zu sein.
Es dauert auch, bis sich Traditionen etablieren, bis man ein Instrument beherrschen kann. Die erste Saxophonklasse wurde für Adolphe Sax am Pariser Konservatorium eröffnet, allerdings wurde sie aus Geldmangel ein paar Jahre später wieder geschlossen und bis Mitte des 20. Jahrhunderts gab es gar kein eigenes Fach für das Saxophon. Erst mit Marcel Mule wurde eine Klasse für klassisches Saxophon wiedereröffnet. Mit den Solowerken von Claude Debussy, Alexander Glazunov, Jaques Ibert oder Orchesterwerken von Bizet, Massenet, Ravel, Rachmaninov, Prokofiev, Berg und anderen ist aber bewiesen, dass das Saxophon seinen Platz im klassischen Repertoire hat. Dass im 21. Jahrhundert immer noch so viele Zweifel gegenüber dem klassischen Saxophon bestehen und man die große Klangpalette und Spielmöglichkeiten dieses Instruments immer wieder ignoriert, ist wirklich erstaunlich für mich.

Weiß man, warum Adolphe Sax dieses Instrument erfunden hat und wo er seinen Einsatz sah?
Erfunden wurde es 1846. Mit dem Saxophon suchte Sax eine Mischung, die genauso ausdrucksvoll wie ein Streichinstrument, virtuos wie ein Holzblasinstrument und stark wie ein Blechblasinstrument ist.

Was kann das Saxophon, was andere Holzbläser nicht können?
Seine Verwandlungsmöglichkeiten und Flexibilität sind enorm. Das Saxophon ist oft nur sehr schwer zu identifizieren. Und selbst wenn man das Instrument aus dem Jazz kennt, wird man es in der Klassik nur sehr schwer wiedererkennen, so anders sind der Klang und der Einsatz.
Zudem zeichnet es sich insbesondere durch die Vielfalt an Möglichkeiten aus, es klingt immer besonders schön – wenn man dieses Anliegen hat – und ausdrucksvoll und lässt sich gleichzeitig dabei nicht so leicht einordnen.

Seit über vierzig Jahren besuche ich Konzerte in aller Welt, noch nie habe ich ein Konzert mit Saxophon als Solo-Instrument erlebt. Machen die Veranstalter gerne einen Bogen darum oder ist es eine Frage des Aufwands und der Nachfrage?
Ich warte auch auf die Mutigen, die es endlich wagen und sich vielleicht mit dem Thema etwas mehr auseinandersetzen. Es gibt definitiv genug Literatur, aber es müssen auch neue Werke für das Saxophon in Auftrag gegeben werden. Sonst haben wir im nächsten Jahrhundert wieder die gleiche Situation.
Leider gibt es tatsächlich viele Vorurteile gegenüber meinem Instrument, die ich auch schon erfahren habe. Ich weiß nicht genau, woran man genau denkt, wenn man das Wort ‘Saxophon’ hört. Allerdings muss es scheinbar etwas eher Seltsames und Unschönes sein. Auf der anderen Seite höre immer viel Begeisterung und Freude vom Publikum nach meinen Konzerten. Viele haben das Instrument so noch nie gehört und einen solchen Klang gar nicht erwartet.
Vielleicht liegt es daran, dass das Saxophon so ein beliebtes Instrument ist und viele Menschen lernen, es zu spielen. Wenn man als Zuhörer nur solche, eher unprofessionellen Musikern begegnet ist, ist man natürlich erstmal für sein Leben lang ‘traumatisiert’. Wenn man allerdings Anfänger hören würde, die Geige spielen, würde man sich auch nicht so selbstverständlich Brahms oder Sibelius darauf vorstellen können.

Worin besteht für Sie persönlich die Herausforderung? Warum Saxophon und nicht Klarinette oder Oboe?
Mein Instrument habe ich wegen seines schönen Klangs, seiner Natürlichkeit und Vielfalt sowie der zahlreichen Ausdrucksmöglichkeiten gewählt, die es bietet. Mir persönlich gefällt es ganz besonders, dass das Saxophon so viele unterschiedliche Gestalten annehmen kann und oft wie ein ganz anderes Instrument klingen kann. Es hat eben nicht so eine prägnante Farbe wie die Klarinette oder die Oboe und ‘verrät’ sich dadurch nicht sofort.

Asya Fateyeva
(c) Neda Navaee

Für Ihre rezente CD haben Sie sich Bach und Villa-Lobos ausgesucht. Eignet sich Bachs Musik besonders gut für eine Saxophon-Transkription? 
Bachs Musik ist so besonders, dass man mit jedem Instrument damit das Beste für sich herausholen kann. Das war für mich ein großes Glück, mit dieser besonderen Musik in Berührung zu kommen. Schon als Kind habe ich am Klavier Bachs Inventionen natürlich gespielt und die musikalische Sprache ist mir sehr nahe. Ich bin auch überzeugt, dass Bach es wunderschön gefunden hätte, den besonders schönen Klang des Instruments zu genießen. Villa-Lobos hat sowohl eine ‘Fantasia’ für das Saxophon komponiert, als auch ein Kammermusikstück ‘Sextuor Mystique’. Er kannte das Instrument schon und da die Musik von Johann Sebastian Bach eine bedeutende Rolle in seinem Leben gespielt hat, dachte ich mir, dass die Kombination ganz wunderbar passt.

Und wo sind die Grenzen, was kann man nicht spielen?
Die Grenzen beginnen dort, wo die Phantasie aufhört. Man kann wirklich sehr viel mit den Saxophonen machen. Man darf auch nicht vergessen, dass es ja mehrere Arten gibt wie das Sopran-, Alt-, Tenor- und Bariton-Saxophon. Mit vielen neuen Werken von Komponisten erfährt man dann noch etwas mehr über das Instrument, was alles eben damit möglich ist. Es muss dem Sinn der Musik entsprechen.

Wie ist Ihr Verhältnis zum Jazz?
Die Tatsache, dass ich Saxophon spiele, bedeutet für mich nicht sofort, dass ich Jazz spiele. Daher war Jazz für mich lange Zeit eine komplett andere Welt. Ich fühlte mich in der klassischen beziehungsweise in der Neuen Musik zu Hause.
Da ich es auch lange Zeit als eher verletzend und unfair fand, dass man mein Instrument sofort ausschließlich mit dem Jazz verbindet, hat es bei mir länger gedauert, bis ich mich mit dieser Musik anfreunden konnte. Es gibt also auch für mich immer noch sehr viel in dieser Richtung zu entdecken. Ich bin auf jeden Fall nun bereit, auch einiges in dieser Richtung zu wagen. Mit dem Repertoire von  Erwin Schulhoff „Hot Sonate“, John Williams „Escapades“ oder John Adams „Saxophone Concerto“ ist man auch als klassischer Musiker sowieso mit dem Jazz konfrontiert.

CD-Rezension: https://www.pizzicato.lu/bach-auf-dem-akkordeon/

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