Jordi Savall
(c) David Ignaszewski

Dem Klang der Musik aus dem sechzehnten Jahrhundert kann man sich mangels Audiokoserven nur annähern. Wer ein Konzert des Chores ‘La Capella Reial de Catalunya’ und des Orchesters ‘Hesperion XXI’, geleitet von deren Spiritus rector Jordi Savall besucht, ist jedoch hinterher davon überzeugt, dass es nur so geklungen haben kann, meint Pizzicato Mitarbeiter Uwe Krusch.

In der Reihe ‘Voyage dans le temps’ stellten die siebzehn Mitglieder der beiden Gruppen in ihrem aktuellen Programm Musik zu Zeiten Karls V. aus der ersten Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts vor. Die Regentschaft von Kaiser Karl V. war auch durch andauernde Kriege und die Reformationszeit geprägt. Trotzdem suchte und fand der Kaiser immer wieder die Gelegenheit, sich intensiv der Musik zu widmen. Dazu hatte er sich eine eigene Kapelle geschaffen. Am Hof wurden Manuskriptsammlungen angelegt, aus denen das Rückgrat des heutigen Programms stammt. Da das Reich viele Regionen umfasste, fanden aus allen Bereichen musikalische Beiträge zueinander. Diese Vielfalt der Stile spiegelte sich auch im Kanon der rund zwanzig Werke wieder, die in der Philharmonie zu Gehör kamen.

Savall und den seinen gelingt es immer wieder, nicht nur die Musik unter einem bestimmten Aspekt zusammen zu fassen, sondern auch, diese auf äußerst ansprechende Art und Weise zu präsentieren. So gruppieren sich die Mitwirkenden in lockerer Anordnung mitten auf der Bühne des großen Saals und füllen diese trotz der überschaubaren Anzahl der Musiker. Dazu kommt ein gewissermaßen halbszenischer Vortrag, da insbesondere die jeweils agierenden Sänger sich zu ihren Beiträgen in anderen Positionen und Anordnungen aufstellen und so auch eine optische Komponente beifügen. Abwechslung wird auch dadurch erzeugt, dass von einem Stück zum nächsten die Besetzung variiert. Sänger oder Gamben allein treten ebenso auf wie das gesamte Ensemble oder gemischte Teile, was mitunter durch fokussierte Beleuchtung unterstützt wird. Und schließlich werden melancholische Stücke und heitere, tanzbare gemischt, so dass immer neue Reize die Ohren der Zuhörer streicheln.

Dieses Rezept konnte dank der beteiligten Musiker und Sänger gelingen, die sich mit Herz und Seele dem Ansinnen hingeben. Dass diese Vertiefung in die Töne bei Jordi Savall selbstverständlich eine Herzensangelegenheit ist, ist weniger überraschend. Aber auch die ihn umgebenden Musiker und Musikerinnen folgen auf diesem Weg und vergessen trotz höchster Professionalität nicht, Spaß an der Musik zu haben und dieses etwa durch das Mitschwingen des Körpers auszudrücken. Während manche Mitglieder wie der Perkussionist Pedro Estevan schon lange den Weg von Savall begleiten, haben sich auch neue Mitglieder hinzugesellt, wie die Sopranistin Lucia Martin-Cartón. Erstaunlich beim Chor ist die Einheitlichkeit des Klangbildes, die für ein Ensemble, das das polyphone vokale Erbe des Mittelalters und des hispanischen und europäischen Goldenen Zeitalters nach historischen Kriterien pflegt. Aber darin liegt kein Widerspruch, denn die Mehrstimmigkeit bedeutet ein mehrschichtiges, aber nicht ein dissonantes Voranschreiten.

Zwei ernüchternde Momente im Konzert seien noch erwähnt. Sowohl zur Pause als auch am Ende des offiziellen Konzertteils vor zwei wiederum wunderbaren Zugaben kam plötzlich Enttäuschung auf, dass der jeweilige Programmteil schon beendet war. Man war so vertieft und mitgerissen, dass man das Verstreichen der Zeit wegen der abwechslungsreichen Gestaltung gar nicht wahrgenommen hatte und verblüfft war, dass es schon vorbei war.

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