Die deutsche Pianistin und Klavierpädagogin Erika Haase ist am 1. Mai in Frankfurt verstorben. Sie war eine sehr diskrete Person und von ihrem Lebensweg ist wenig bekannt. Erika Haase war u.a. Schülerin von Hans Leygraf, Conrad Hansen und Eduard Steuermann. Sie unterrichtete selber jahrelang an der Hochschule für Musik in Hannover. Nach ihrer Pensionierung gab sie noch weiterhin Meisterklassen. Zu ihren bekanntesten Schülern gehört Andreas Staier.

Mit dem Komponisten György Ligeti verband Erika Haase eine langjährige Freundschaft und intensive Zusammenarbeit. Sie hat sein komplettes Werk für Tasteninstrumente (Klavier solo, 2 Klaviere, Cembalo) auf international hochgelobten und preisgekrönten CDs eingespielt und die Werke mit dem Komponisten erarbeitet.

Tonmeister Andreas Spreer, der viele Aufnahmen mit Erika Hasse für das Label ‘tacet’ machte, schreibt in einer Hommage an die verstorbene Pianistin: « Wie es der Zufall will, machte ich gestern eine Aufnahme der ‘Vier ernsten Gesänge’ von Johannes Brahms. Der Text des ersten endet mit:

Darum sahe ich, dass nichts bessers ist,
Denn dass der Mensch fröhlich sei in seiner Arbeit,
Denn das ist sein Teil.
Denn wer will ihn dahin bringen, dass er sehe,
Was nach ihm geschehen wird. »
(Prediger Salomo, 3)

Sofort musste ich an Erika Haase denken. Außerhalb unserer gemeinsamen Aufnahmen kannte ich sie zwar kaum. Doch reicht ein Blick auf die Liste ihrer CD-Veröffentlichungen um zu erkennen, wie gut dieses Lied passt. Der Begriff ‘Etüde’ (=Übestück) weckt bei mir eine Vorstellung von lustvoller Arbeit. Erika Haase konnte wie besessen arbeiten und üben, gerade auch für sich ganz allein. In der Arbeit ging sie auf. Akribisch und nicht ohne Stolz verzeichnete sie mit dünnem Bleistift auf dem Rand der Autographe der schier unspielbaren Ligeti-Etüden – Noten, die sie vielleicht als erste überhaupt studierte – die Stunden, die sie mit ihnen verbracht hatte. Am Ende konnte sie jede einzelne spielen. Es folgten die Etüden von Chopin, Debussy, Liszt, Schumann, Brahms. Dazwischen Lutoslawski, Scriabine, Bartok, Strawinsky, Messiaen und immer wieder Ligeti. So entstand wie von selbst ihr einzigartiger Zyklus von Etüden. Erika Haase hat sich an den Prediger Salomo gehalten. Sie war fröhlich in ihrer Arbeit und damit zahllosen Menschen ein Vorbild. »

Zu ihrer Ligeti-Aufnahme schrieb Pizzicato im Dezember 2003: « Gerade hatten wir gemeint, Aimard sei als Ligeti-Interpret wohl nicht zu übertreffen, so sieht dieser sich vor eine unerwartete Herausforderung durch eine deutsche Pianistin gestellt: Erika Haase! Den Namen muss man sich unbedingt merken, denn technisch so brillant wie Aimard, stellt die Interpretin erstmals die Integrale der Etüden, die zweifellos zu den großen Klavierwerken des 20. Jahrhunderts zählen, vor, und zwar alle 18 Stücke, die bis jetzt geschrieben wurden. Als Pianistin ist Erika Haase noch sensibler als der Franzose und mindestens ebenso ausdrucksstark, respektiert aber Ligetis Anweisungen viel genauer. So gelingt ihr auch die ‘Musica Ricercata’ einfach fabelhaft. Aimard dagegen wirkt kühner, auch kühler, vielleicht aber noch dynamischer und transparenter. Im übrigen gehen Erika Haase und ihre Partnerin Carmen Piazzini, die auf gleicher Wellenlänge agiert, ja sogar mit ihr verschmilzt, praktisch chronologisch vor, beginnend mit den frühen vierhändigen Stücken. So wird uns ein ebenso faszinierender wie lehrreicher Überblick des komplexen, großartigen Schaffens von Ligeti für Klavier und Cembalo geboten. Da diese Frauen-Interpretationen zudem reich an Expressivität sind, erhalten sie eine weitere Dimension, die ihnen bestens bekommt. »

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