Der Satz ‘Das fließt wie eine Brahms-Symphonie’ gilt natürlich auch für die Kammermusik des Komponisten und insbesondere für das ja doch sehr symphonische Klavierquintett op. 34. Beim ‘Festival Next Generation’ in Bad Ragaz hatten sich fünf Musiker zusammengefunden, die wirklich alles gaben, sich komplett investierten, um diese Musik ins Fließen zu bringen.

Die, abgesehen von unbedeutenden Winzigkeiten, auch technisch beeindruckende Darbietung war spannungsgeladen wie kaum eine andere, und verantwortlich dafür zeichneten Michael Cohen-Weissert (Israel/Deutschland) am Klavier, Marc Bouchkov (Belgien) und Sara Domjanic (Liechtenstein), Violine, die taiwanesische Bratschistin Ting-Ru Lai und der deutsche Cellist Christoph Heesch. Ihre Aufführung des Brahms-Quintetts hätte ein Publikum im Wiener ‘Musikverein’ oder in der ‘Carnegie Hall’ genauso begeistert wie jenes im Festsaal des ‘Grand Resort’ in Bad Ragaz. Ich jedenfalls für meinen Teil behaupte, das Werk nicht oft so kraft- und ausdrucksvoll, so rhetorisch gehört zu haben.

Die fünf Musiker spielten nicht nur, indem sie aufeinander hörten, nein, sie schauten sich auch gegenseitig an, wenn sie eine Phrase formulierten, so als wollten sie sagen: ‘Nun, was meinst du dazu?’ Das ergibt Kammermusik voller Spontaneität!

V.r.n.l.: Marc Bouchkov, Sara Domjanic, Michael Cohen-Weissert, Ting-Ru Lai und Christoph Heesch (c) Christine Kocher

Mit Schwung und Drive erklang gleich der erste Satz, aber im Kontrast dazu erlangten die ruhigen Passagen sehr viel Nachdenklichkeit und Tiefe. Ebenso viel Bedeutsamkeit erlangte auch das Andante, un poco Adagio, und beim Scherzo stand es dann bei so viel Spannung und Elektrisierung fest: dieses Quintett mit diesen fünf Musikern könnte als Soundtrack benutzt werden, um Hitchcocks ‘Psycho’ neu zu vertonen. Ungemein stark geriet die Einleitung des Finalsatzes, ehe sich das Quintett in den Finalrausch stürzte, immer differenzierend, kontrastierend und leidenschaftliche Bedeutsamkeit erringend.

Das Brahmssche Beben war hier nicht nur oberflächlich zu hören, sondern in der Tiefe, wo es sich ausbreitete, abprallte, sich wieder verteilte und so zu einer ganz besonderen Intensität gelangte. Michael Cohen-Weissert, Marc Bouchkov, Sara Domjanic, Ting-Ru Lai und Christoph Heesch brachten so das dichte musikalische Gewebe des Quintetts zum Glühen. Bravi tutti!

Pijus Paškevičius & Michael Cohen-Weissert
(c) Christine Kocher

Begonnen hatte das Konzert mit Francis Poulencs höllisch schwieriger Sonate für Oboe und durch den 14-jährigen Oboisten Pijus Paškevičius (Litauen), am Klavier begleitet von Michael Cohen-Weissert.                                                                                                                                                 Remy Franck (z.Z. Bad Ragaz)

Festspielintendant Drazen Domjanic (links) und Pizzicato-Chefredakteur Remy Franck
(c) Christine Kocher

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